Tag 30: Sölvesborg - Simrishamn

99,6 km

Gesamt: 2678,1 km 


Am Abend saß ich noch lang am Wasser und hab mir den Reiseblog von Helena und Tino nochmal angeschaut, den ich während ihres Reisejahres regelmäßig verfolgt hab. Sie haben eine schöne Statistik geführt, über Höhenmeter, Kilometer, längste Etappe , und unter anderem auch über die Anzahl der Platten und die Anzahl der Regentag. Dabei musste ich feststellen, dass sie in einem Jahr keinen einzigen Platten hatten und weniger Regentage als ich in den ersten 2 Wochen. Da kanns beim nächsten Mal ja eigentlich nur besser werden oder..?


Halsschmerzen und Sonnenschein am Morgen. Heute soll es bis Simrishamn gehen, knapp 90 Kilometer. Mit insgesamt 370 Höhenmetern sollte das machbar sein, auch etwas angeschlagen. Leider spielt der Wind nicht so mit. Ich werde ihn wohl den ganzen Tag von vorn haben.


Kurz bevor ich starte, werfe ich einen Blick auf die Karte. Bei Åhus bin ich wieder am Meer, da sollte eine schöne Möglichkeit zum Frühstücken kommen.


Die ersten Kilometer fahre ich immer parallel zur Küste. Heute auf dem Sydostleden- Radweg. Immer wieder habe ich tolle Ausblicke aufs Meer. Skåne ist dennoch ein ganz anderes Schweden als im übrigen Land,  wenn auch nicht weniger schön. Der Häuserstil erinnert eher an Dänemark. Rote Holzhäuser werden durch reetgedeckte Backstein - und Lehmhäuser ersetzt.

Leider führt die Strecke anschließend eine Zeit lang von der Küste weg. Das Hinterland ist dann das komplette Kontrastprogramm. Überall abgeerntete Getreidefelder, kaum Wälder, alles flach. 

Nach 35 Kilometern erreiche ich schließlich Åhus. Ich umfahre die Stadt und versuche am Ortsausgang mein Glück für eine Pause. Links geht eine Sackgasse bis vor ans Meer. Das sieht gut aus. Oberhalb des Strandes steht eine kleine Bank, weit und breit niemand zu sehen, nur ein einziger mutiger Badegast stürzt sich gerade in die Fluten. Was für ein schöner Platz.

Der Appetit hält sich in Grenzen und so breche ich nach einiger Zeit wieder auf. Weiter geht es auf dem Radweg, der nun wunderschön durch Kieferwälder führt. Hier merkt man auch den Wind nicht so sehr, der doch schon gut von vorn bläst. 

Einige Kilometer nach Friseboda hat Komoot die Strecke durch das Militärgebiet geplant. Vor zwei Jahren konnte man sich darin ohne Probleme bewegen, daher wird es schon passen, dachte ich mir nur. 

Dann stehe ich vor einem Zaun. Daneben ein Warnschild.

Zwar kann ich mir denken, worauf sie hinweisen, ich lasse es mir aber vorsichtshalber übersetzen:


Militärischer Übungsplatz,
Gefährlich für das Leben
Große Munition (Geschosse)
Das  Betreten des Geländes:
Auf eigene Gefahr. Beachten Sie die
Absperrungen.
STOPP
SCHUTZPROJEKT


Okay, man soll also aufpassen, wird aber vermutlich nicht erschossen. Passt.
Als ich das Tor öffnen will, ist es verschlossen.
Na prima.. und jetzt?

 Ich schaue auf die Karte. Es hilft nichts, mir bleibt nur der Weg außen herum. Mindestens 8 Kilometer mehr.

 
Ich kämpfe weiter gegen den Wind, nur selten kommen geschützte Abschnitte. Ein wenig Kraft kostet die aufkeimende Erkältung dann doch.


Kurz vor Vitemölla bin ich dann wieder auf meiner ursprünglichen Strecke. Noch 25 Kilometer, aber eigentlich reicht es mir für heute. Bis Simrishamn muss ich es jedoch noch schaffen, sonst wird es morgen zu weit bis Trelleborg.


Die letzten Kilometer verfliegen zum Glück, auch weil der Wind nicht mehr frontal von vorn kommt. Die Böen von der Seite sind zwar auch nicht angenehmer, aber wenigstens kostet das Fahren etwas weniger Kraft. Links und rechts erstrecken sich überall die Apfelplantagen, für die diese Skånegegend so bekannt ist. Überall könnte man sich satt essen.


Das Einchecken am Campingplatz funktioniert problemlos. Das Aufbauen vom Zelt eher nicht. Das erste Mal ist der Boden so hart, dass ich Probleme hab, die Heringe reinzubringen. Der Wind tut sein Übriges. Es wird ein kleiner Kampf, doch am Ende gewinne ich ihn.

Als ich gerade meine Sachen verstaue, spricht mich eine andere Radfahrerin an, woher ich denn komme. Aus Deutschland. Das ist gut, ich auch, sagt sie nur.

Dann gibt sie mir den Tipp, mein Rad heute Nacht gut abzusperren, ihres und 5 andere  Fahrräder auf dem Platz wurden vergangene Nacht geklaut. Recht aufgebracht erzählt sie mir von ihrer Odyssee, die sie heute schon durchmachen musste. Zusammen mit dem Personal der Rezeption und der Polizei konnte das Gepäck im naheliegenden Wald wiedergefunden werden. Die Räder sind irgendwo in der Stadt wieder aufgetaucht. 

Ich lasse die Infos kurz sacken. Das würde auf meiner Reise gerade noch fehlen. Gutgläubig wie ich bin, hab ich in kleineren Ortschaften mein Rad nicht mal abgesperrt, wenn ich in den Supermarkt gegangen bin. Geschweige denn auf dem Campingplatz. Ein ungutes Gefühl macht sich in mir breit. Wobei ein Täter ja  eigentlich nie an denselben Ort zurückkehrt oder? 

Zum Glück habe ich neben meinem Zelt eine Sitzbank, dort sollte ich mein Rad gut anschließen können. 



Wir kommen ins Gespräch und so erfahre ich, dass Sophie südlich von München lebt  und Freitag mit der Fähre zurück nach Rostock fährt. Auch sie ist allein unterwegs und hatte wettertechnisch eher Pech. Heute möchte sie noch bis Ales Stenar, morgen dann weiter Richtung Trelleborg. Genau meine Strecke. Wir tauschen Handynummern und beschließen, dass ich sie morgen auf ihrem Campingplatz abhole und gemeinsam Richtung Trelleborg radeln. Ich weiß nicht, wer sich da gerade mehr über die morgige Gesellschaft freut. 



Für mich geht es heute nur noch zum Supermarkt und danach an den Strand. Die Sonne scheint, es ist warm... Wie selten hatte ich ein solches Wetter auf dieser Tour. Das muss ich ausnutzen. Außerdem sitzt das Gewitter bereits in den Startlöchern.


Neben mir reist noch ein anderer Bikepacker an. Ich erzähle ihm von den Vorfällen der Nacht. Dankbar sucht er sich gleich einen sicheren Platz für sein Fahrrad. 

Auch mit den Nachbarn auf der anderen Seite meines Zeltes komme ich noch ins Gespräch. Sie haben alles mitbekommen, aber hatten keine Chance. Es ging alles zu schnell. 


Eine Erfahrung, die man nicht unbedingt machen muss... 

Da hatte ich insgesamt sogar noch richtig Glück.

 


Und so sitze ich am Strand und genieße bei einem Eis ein vorletztes Mal das Meer. 


 Die unguten Gedanken an die Nacht bleiben jedoch.. 




Tag 31: Simrishamn - Trelleborg

102,2 km

Gesamt: 2841,9 km


Am Abend füllen sich die Plätze neben mir noch mit ganz vielen Zelten. So viele Radreisende gab es auf der gesamten Tour nicht. 

Das Hauptthema natürlich die richtige Sicherung der Fahrräder in der Nacht. Bei jedem schwingt ein fader Beigeschmack mit. Am Ende lernen wir alle von einem Schweden und so binden wir unsere Räder mit einer Schnur am Zelt fest, damit wir auch sicher wach werden, sollte etwas sein. Irgendwann spielen wir mit viel Humor sämtliche Szenarien durch, was uns in der Nacht erwarten könnte. 

Ziemlich spät verschwinden wir alle irgendwann in unsere Zelte...

Auch wenn ich weiß, dass niemand an unsere Fahrräder gehen wird, schlafe ich unruhig. Der Wind sorgt immer wieder für Geräusche am Außenzelt. Man horcht einfach ständig. Kurz nach Mitternacht ein großes ruckeln am Zelt. Sofort bin ich hellwach.

 Derjenige, der über meine "Alarmanlage"gefallen ist, wahrscheinlich auch.


Kurz vor 7 Uhr breche ich am Morgen auf und mache mich auf den Weg zu Sophie. Frühstück gibt es heute bei einem der wenigen Shelter, die ich in Schweden gefunden hab. Es ist voll besetzt.


Bei Ales Stena wartet Sophie schon fertig gepackt und wir fahren gleich weiter. Unterwegs erzählt sie mir, was sie zu dieser Reise bewegt hat. 

Du hast mir gerade einen Spiegel vorgehalten, ist alles, was ich am Ende sagen kann. Ich habe gerade meine eigene Geschichte aus dem Mund einer anderen Person gehört. 


Sophie hat in Bamberg Pädagogik studiert, lebt jetzt aber wieder in Weilheim, ihrer Heimat. 

Bis Ystad fahren wir gemeinsam, die Zeit verfliegt.

Sie erzählt noch ein wenig von ihrer Route und wie blöd Komoot doch eigentlich ist, mitten durchs militärische Sperrgebiet wollte es mich schicken.

Ach, dich auch? 😂


 Schon gestern hat die Chemie sofort gestimmt. 

Wir trinken in der Stadt noch einen Cappuccino, dann verabschieden wir uns... Wehmütig. 

Wir vereinbaren, in Kontakt zu bleiben und uns so schnell wie möglich in Deutschland wiederzutreffen. 

Dann setze ich meine Fahrt allein fort. Die Sonne scheint und es geht immer an der Küste Richtung Westen. Leider kommt auch der Wind aus dieser Richtung aber es ist erträglich. 


Für heute Nacht habe ich mir kurz vor Trelleborg eine kleine Hütte gemietet, zu knapp wird es mir sonst morgen früh, wenn ich erst alles abbauen und einpacken muss. 

Aber eigentlich bin ich einfach nur froh, die Isomatte nicht aufpusten zu müssen. Die Matte hat eine integrierte Fuß-Pumpfunktion, für die es eine Anleitung gibt...Für die es eine Anleitung GAB. Wer braucht denn bitte eine Bedienungsanleitung für eine Luftmatratze, dachte ich mir das erste Mal beim Auspacken und damit landete sie im Müll. 

Nun ja... Jetzt  puste ich halt jedes Mal mit dem Mund.


Kurz vor Smygehamn kommt eine Nachricht von Sophie. Ystad gibt nicht so viel her, der Tag ist noch nicht alt, sie würde auch noch bis Trelleborg radeln, die Hütte könnten wir uns ja teilen und ob das für mich okay wäre.

Was für eine Frage. 


Ich checke am Campingplatz ein und melde Sophie gleich mit an. Der Preis bleibt gleich. Die Hütte hat 6 Betten. Voll belegt wären 44€ fast geschenkt. 


Nachdem ich meine Sachen abgeladen hab, fahre ich zum Supermarkt.

Huch... 

Dafür, dass ich eigentlich nichts transportieren kann, sind die Tüten am Ende verdammt voll. Hoffentlich geht das gut , Betzelbachers sind leider schon weg.

Vom Strand aus kann ich ihnen nur noch winken.



Zurück in der Hütte sortiere ich ein wenig meine Sachen. Die Powerbank kommt in den Rucksack für morgen. Das Benutzen hab ich immer raus gezögert, da sie recht lang zum Aufladen braucht. Für Notfälle muss sie einsatzbereit sein, dachte ich mir jeden Tag aufs Neue und habe sie wieder weggepackt.

Jetzt bringe ich halt eine unbenutzte, voll geladene Powerbank wieder mit nach Deutschland. 🤷🏼


Gegen 15 Uhr trifft auch Sophie am Campingplatz ein. Gemeinsam spazieren wir am Strand in den frühen Abend hinein.
Beide haben wir das Gefühl, uns schon ewig zu kennen. Wir reden über Gott und die Welt, über Wichtiges und Unwichtiges, über Schönes und weniger Schönes, über Wünsche, über Träume... 


Und so endet er, dieser schöne und zugleich versöhnliche letzte Tag in Schweden... 🇸🇪



The end:

22,1 km

Gesamt: 2864 km


Am Abend liegen Sophie und ich noch lange wach in unseren Betten, erzählen bis tief in die Nacht.

Beide lassen wir unsere Reise Revue passieren. Als mein Blick auf die 3 Stockbetten fällt, erinnert es mich ein bisschen an Klassenfahrten in der Schulzeit.

Irgendwann kommen wir auf das Thema," Dinge die ich dabei hatte aber nie gebraucht hab".

Jeder macht sich eine Liste, meine wird recht lang:


- Kocher 

- Gaskartusche

- 2 kurze Hosen , dafür lieber eine gscheite Lange 

- Stirnlampe

- Sonnencreme (wie optimistisch ich doch war)

- Autan

- Beinlinge (Regenhose reicht vollkommen)

- Sonnebrille


Wir lachen viel, aber wir haben beide auch sehr emotionale Momente und Erkenntnisse.

Wir sollten langsam schlafen, sagen wir uns irgendwann nach Mitternacht. 


Bereits sehr früh herrscht große Aufbruchstimmung auf dem Campingplatz. Die Fähre legt doch erst in 2,5h ab. Was wollen die alle schon im Hafen?

Früher als geplant breche dann auch ich auf, die Unruhe steckt an.


5 Kilometer sind es bis zum Hafen. Ich fahre erst zum Check-in für die Fahrzeuge, dort schickt man mich weg. Passagieren müssen zum Hotel.

Also heißt es für mich umkehren und wieder zurück. 

Am Hotel angekommen stehen schon mehrere Bikepacker und warten. Der Computer für den Online- Check-in ist defekt, der Schalter öffnet erst 6:30 Uhr. 

Eine halbe Stunde noch, da hätte ich mir auch Zeit lassen können.


Immerhin öffnen sie pünktlich, allerdings lässt man uns erst 6:50 Uhr Richtung Fähre.


Wie einfach war das doch in Greena. Einchecken, in die richtige Spur stellen, aufs Schiff fahren, Fahrrad anhängen, fertig.


Vor der Wartehalle dann ein Bus. Wie, da sollen wir jetzt alle mit den Rädern rein?

Bitte hinter dem Bus einreihen, weist man uns an.

Wir stellen uns alle hintereinander in eine Reihe, dann geht es auch schon los. Der Bus vornweg, circa 20 Radfahrer im Windschatten hinterher. 

Und so fahren wir noch einen  Kilometer durchs Hafengelände bevor wir die Fähre erreichen.


Zum Glück gibt es auf Deck keine Platzprobleme, sodass ich im Restaurant einen schöne Sitzgelegenheit finde.


Und dann geht es los... 6 Stunden bis Rostock... 6 Stunden, um die letzten Wochen Revue passieren zu lassen. 

Aber vor allem 6 Stunden um nochmal an all die schönen Momente und Erlebnisse zu denken.