Tag 8: Sandefjord - Horten
80,97 km
464,42 km Gesamt
Man muss nur fertig genug sein, dann schläft man auch auf den weichsten Matratzen gut.
Nur meine Gedanken muss ich am Abend noch ein wenig in andere Richtungen lenken, so träume ich doch Nacht für Nacht dasselbe...
Meine innere Uhr weckt mich wieder mal pünktlich mit der aufgehenden Sonne. Die Umgebung von Sandefjord gibt zum Glück wieder mehr her als gestern und so finde ich eine schöne Strecke zum Laufen.
Heute ist es dann soweit, ich starte den Tag das erste Mal mit einer IBU.
Warum die Achillessehne beim Radfahren so schmerzt, beim Laufen jedoch überhaupt nicht, ist mir ein Rätsel.
Die Rückenschmerzen kann ich mir dann wiederum schon erklären, so muss ich mich an die stundenlange Haltung auf dem Rad erst wieder gewöhnen. Da ich mich aber jedes Mal kaum aufrichten kann, wenn ich vom Rad steige und dass den Fahrspaß mittlerweile doch arg trübt, muss ich was tun.
Das heutige Ziel ist Horten, morgen weiter bis Oslo. Komoot verspricht deutlich weniger Höhenmeter als die vergangenen Tage. Kann man das glauben?
Das Landschaftsbild erinnert auch heute wieder sehr an Schweden. Viele kleine Urlaubs- und Badeort reihen sich aneinander, jedoch kein einziger hat seinen Charme verloren. Keine Hotelburgen, keine abstrakten und modernen Ferienanlagen.. Überall nur kleine, weiß gestrichene Holzhäuser. Eins schöner als das Andere..
Mit Tønsberg erreiche ich wieder eine dieser größeren Städte, doch hier ist der Hafen und das Zentrum tatsächlich mal sehenswert.
Also sehenswert im Sinne von
"Wenn man schon mal da ist...".
Begeistert bin ich von den radfahrerfreundlichen Vorrichtungen an den Ampeln. Damit man die Füße während dem Warten nicht von den Pedalen nehmen muss, sind überall diese tollen Stangen zum Festhalten installiert..
Da es bis Horten nicht ganz so viele Kilometer sind, weiche ich 1-2x vom offiziellen Radweg ab..
Eigentlich müsste ich es besser wissen...
Geht natürlich schief.
Am Ende bin ich auf einem schmalen Pfad im meterhohen Unkraut gefangen.
Naja, irgendwie passiert ja derzeit auch nichts.. Da kann man sowas schon mal machen.
Trotzdem folge ich nun lieber weiter den ausgeschilderten Radwegen, die mich nun immer an der Küste entlang führen.. Überall kleine verlassene Strände oder ruhige Ortschaften.
Wenige hundert Meter weiter in der Ferne dann ein kleiner Leuchtturm.
Ob der noch in Betrieb ist?
Beim näheren Hinschauen erkennt man schließlich, dass es kein Leuchtturm mehr ist, sondern ein Wohnhaus.
Naja.. warum nicht.
Sozialwohnungen sind das aber mit Sicherheit nicht.
Während die Radwege bisher stets asphaltierte kleinen Straßen waren, da es schlichtweg nur eine gab, wechseln sich Asphalt und Waldwege nun immer wieder ab, was die gesamte Strecke sehr abwechslungsreich macht.
Mit Åsagårdstrand erreiche ich einen Küstenort, in dem das Haus vom bekannten Maler Edvard Munch steht.
Schön gewohnt hat er ja schon.
Dieses bekannte Gebäude erklärt dann auch, warum in dem Ort ungewöhnlich viele Leute unterwegs sind.
Wenn ich mir das Alter der Spaziergänger hier jedoch so anschaue, hab ich die leise Vermutung , ich bin in einem Kurort.
Die sportlichen Norweger werden hier durch die Kategorie Ü70 am Stock ersetzt.
Naja okay.. bis auf wenige Ausnahmen 😋
Die letzten 500 m zum heutigen Ziel bei Katia sind dann nochmal schonungslos. Ganz ohne Rampen geht's dann eben auch heute nicht.
Belohnt werde ich dafür mit einem, wiedermal, tollen Zimmer.
Den Nachmittag und Abend nutze ich, um mir Horten anzuschauen.
Auf einer vorgelagerten kleinen Insel, leider jedoch in militärischer Hand, stoße ich immer wieder auf verschiedene Schilder:
"Navy Race."
Daneben ein Zielbogen und ein kleines Eventgelände.
Ein kleiner Wettkampf zur Abwechslung?
Die ersten 300 Meter entlang der Strecke ersparen mir schließlich die Google-Recherche..
Das will man nicht freiwillig machen.
Anscheinend gibt es wirklich Kandidaten, die sich dafür angemeldet haben.
Aber gut für mich..
Da schaut man ja schließlich gerne zu 😋
Für heute ist das Thema erstmal abgehakt. Für die nächste Zeit spukt es allerdings weiter im Kopf. Am Abend wird mal der Laufkalender von Norwegen durchforstet.
Horten ist für eine Hafenstadt tatsächlich schön. Gute ausgebaute Wege über die kleine Insel und den Wald, einige Parkanlagen, immer wieder Möglichkeiten zum Baden..
Das Zentrum selbst lohnt sich jedoch nicht, außer ein paar nackten Kindern im Brunner gibt's nicht viel.
Zurück bei Katia schweifen die Gedanken zur weiteren Streckenplanung.
Auch heute merke ich wieder, dass ich mich darin viel zu sehr verliere.
Ein Überbleibsel aus dem letzten Jahr in dem es immer darum ging, wie lang mein regenfreies Zeitfenster ist und ob ich am Ende ein Dach über dem Kopf hab, was die Planerei zu einer Herausforderung hat werden lassen.
Das ist bei dem derzeitigen Wetter mehr als egal, so kann man doch ohne Probleme die Nächte draußen verbringen, auch ohne Campingplatz.
Ich nehme mir vor, die nächste Zeit ein wenig aus meinen Strukturen auszubrechen und mehr auf mich zukommen zu lassen..
Wenn man das irgendwo lernen kann,
dann nur auf so einer Reise.
Tag 9: Horten - Oslo
77,22 km
541,46 Gesamt
Was für eine Nacht..
Ich träume schlecht.. Richtig schlecht.
Dementsprechend früh bin ich wach.
Knappe 10 Kilometer durch Horten.. Das sollte die Gedanken wieder in die richtige Spur bringen.
Der Großteil der Strecke ist flach..
Wenn man allerdings weiß, was am Ende noch wartet, fällt das genießen schon schwer.
Doch auch heute wieder ein wundervoller Sonnenaufgang.
Ich habe nun zwei Möglichkeiten nach Oslo zu fahren.
Zum Einen auf der Westseite, eine Strecke mit mehr Kilometern und auch mehr Höhenmetern, zum Anderen auf der Ostseite ab Moss.
Da meine Warmshowers - Unterkunft allerdings eher im östlichen Teil von Oslo ist, entscheide ich mich für Moss.
Die Fähre verkehrt halbstündlich und ist für Fußgänger und Radfahrer kostenlos. Im Internet lese ich etwas von einer Fahrzeit von 1:38h..
Die Zeit kann ich gut nutzen und so hab ich mich gestern Abend noch mit Frühstück eingedeckt.
Der Hafen und der Fährableger sind schnell gefunden, das Fahrrad simpel am Fahrradständer befestigt, so machen es zumindest alle anderen auch, und pünktlich 6:45 Uhr verlasse ich Horten.
Ich hole mir im Selbstbedienungsrestaurant schnell noch einen Cappuccino, dann heißt es erstmal ausruhen.
Ehe ich mich soweit umgeschaut und einen Platz gefunden hab, sind wir bereits 10 Minuten unterwegs.
Aber ich hab ja Zeit und so beeile ich mich auch nicht.
Ein Blick aus dem Fenster lässt mich schließlich an dem Zweifeln, was ich gestern über die Fahrdauer gelesen hab.
Für über 1 1/2h ist das Festland aber verdammt nah.
Ein kurzer Blick auf die Karte bestätigt meine Vermutung ...
Ich schaue auf die Uhr.. Das waren dann gerade mal 30 Minuten statt 1:38h..
Was sind das dann bitte für Angaben im Internet? Wenn man selbst rudert?
Mir bleiben also noch 5 Minuten, dann legen wir an. Vor mir das große Chaos aus Semmeln, Marmelade, Nutella, Käse ...
Auf Toilette wollte ich auch noch, ebenso einen kleinen Snack für unterwegs aus dem Shop.
Was für ein Stress am frühen Morgen.
Den Shop lasse ich ausfallen und so stehe ich pünktlich mit den anderen fertig bepackt zum Landgang bereit.
Auch heute wieder ist es morgens noch sehr frisch. Dünne Jacke und Ärmlinge sind das Mindeste, was ich brauche, dennoch friere ich ein wenig.
Wäre schlechtes Wetter, ist so eine Fähre eigentlich die perfekte Tagesbeschäftigung. Weich gepolsterte Sitze und Tischgruppen, Essen und Trinken, WLAN, es ist warm und trocken..
Ich würde wahrscheinlich den ganzen Tag hin und her fahren.
Im.Hafen von Moss suche ich mir eine sonnige Bank und frühstücke erstmal zuende.
Schon nach wenigen Kilometern erreiche ich mit Son einen niedlichen kleinen Hafenort. Winzige Geschäfte, eine alte Bibliothek, ein kleiner Dorfplatz und im Hafen alte Holzboote..
Gefühlt ist hier die Zeit stehen geblieben.
Die Strecke führt mich nun weiter entlang eines kleinen Flusses, über geschotterte Wege..
Was für eine tolle Strecke heute..
Das es so nicht bleibt, ist mir bewusst.
In Vestby erreiche ich den höchsten Punkt der heutigen Etappe. Und damit auch den längsten Anstieg.. Zumindest glaube ich das zu diesem Zeitpunkt wirklich.
Ab jetzt geht es ohne große Steigungen bis Oslo, vorbei am Årungen und dem Gjersjøen..
Zwei wunderschön gelegene Seen.
Auch bei Sportlern ist die Gegend sehr beliebt. Permanent kommen mir Rennradfahrer entgegen oder überholen mich.
Okay...
Ein paar Rollskifahrer sind auch dabei 😋
Zwischen all den Radfahrern hat sich auch ein altes Bikepacker-Pärchen verirrt..
Beide geschätzt in den 70ern..
Beim Grüßen fürchte ich kurz, er kann das Gleichgewicht nicht mehr halten aber Gott sei Dank fängt er sich im letzten Moment .
Auf Erste Hilfe hätte ich jetzt keine Lust.
Aber Hut ab vor dieser Leistung in so einem Alter.
Die letzten 10 Kilometer bis Oslo sind schließlich furchtbar. Doch das kenne ich noch von Göteborg im letzten Jahr. Der Radweg immer parallel zu einer großen Straße, auf der die Autos und LKWs stadtaus- und -einwärts donnern. Was für ein permanenter Lärm...
Das Zentrum von Oslo lasse ich links liegen, das ist zu Fuß am Nachmittag deutlich entspannter.
Ich schaue kurz auf den Tacho...
Noch 8 Kilometer..
So gut wie fertig für heute.
Fertig bin ich nach diesen 8 Kilometern wirklich, weiß ich in den Moment aber noch nicht.
Einen Blick aufs Höhenprofil hätte ich vielleicht vorab werfen sollen..
Schon nach wenigen hundert Metern geht's bergauf.. Nicht nur gemächlich, sondern richtig steil..
Der Spaß hält sich in Grenzen mit all dem Gepäck, mitten in der Stadt.
Und so geht es bis kurz vor die Haustür von Peer weiter.. Am Ende liegen nochmal knapp 200 Höhenmeter hinter mir...
Wie war das vorhin mit dem höchsten Punkt in Vestby?
3x wäre ich dort noch hoch gefahren, statt 1x hier.
Was macht man nicht alles für einen Abend in netter Gesellschaft.
Peer schreibt, in 20 Minuten ist er da.
Mein Blick bleibt währenddessen an den Klingeln hängen. Auch hier gibt es wieder diese Wählsysteme wie in Schweden.
Aber anscheinend denkt hier der Hausmeister ein wenig weiter.. Mit einer Nummernliste steht man hier wenigstens nicht mehr ganz so ratlos davor.
Kurz darauf begrüßt er mich auch schon mit einem
"Herzlich Willkommen Karina"
😳
Wie, du sprichst deutsch?
Ich probiere es zumindest, bekomme ich als Antwort. Als er meine Erleichterung merkt, gibt er schließlich zu, dass er Deutscher ist.
24 Grad und Sonnenschein..
So kenne ich Oslo.
Grund genug, in die Stadt zu fahren.
Peers Vorschlag, doch das Rad zu nehmen, lehne ich dankend ab.
An solchen Tagen wie heute ist Oslo ein einziges Sommermärchen. Überall baden und schwimmen die Einheimischen im Hafenbecken.
Kanufahrer, Sup's soweit das Auge reicht.
Die Cafés sind voll.
Ich selbst fühle mich mittendrin etwas verloren..
Dennoch ist Oslo für mich, mit seinem modernen Flair, eine der schönsten Städte überhaupt.
Die erste Woche ist nun vergangen..
Eine Woche, die nicht schöner und besser hätte sein können..
Das Wetter ein Traum, keine Pannen oder problematischen Vorfälle..
Dennoch ist heute ein erster schwerer Tag für mich.
Bei meinem Spaziergang durch Oslo hab ich gemerkt, dass einfach keine Unbeschwertheit aufkommen will.
Die innere Stärke und der Wille, jeglichen Widrigkeiten zu trotzen und alles irgendwie zu schaffen.. Das fehlt dieses Jahr.
Als ob alle Reserven schon aufgebraucht wären...
Sollte das Wetter dauerhaft umschlagen, das Rad Probleme machen oder es mir selbst nicht gut gehen, ich weiß, dass ich diesmal schneller wieder auf der Fähre nach Deutschland sitze als mir lieb ist...
Aber auch solche Tage gehören dazu.
Morgen scheint die Sonne hoffentlich nicht nur über sondern auch wieder in mir wieder...
Tag 10: Oslo - Sand
94 km
635,64 km Gesamt
Peer und ich verbringen noch einen tollen Abend auf dem Balkon, hoch über den Häusern von Oslo.
Auch wir kommen wieder auf das Thema Freundschaften zu sprechen.
"Das ist schon nicht so einfach.." erzählt er, genau wie die Anderen.
Ich berichte ihm von meinen Erlebnissen, von all der Gastfreundschaft, von den vielen Menschen mit denen ich ins Gespräch komme.
Das kann er bestätigen, die Türen stehen überall offen, man bekommt immer einen Kaffee..
Aber du gehst danach ja auch wieder, fügt er noch hinzu.
Ah ja.. Verstanden 🙈
Letztendlich kommen wir zu dem Ergebnis, dass es eine Sache der eigenen Erwartungshaltung ist.. Für mich bedeutet Freundschaft vielleicht etwas ganz anderes, als für einen Norweger oder Schweden.
Dennoch.. Er würde diesen Schritt immer wieder gehen, denn einsam fühlt er sich hier nicht, versichert er mir.
Beneidenswert...
Der Abend bei Peer bestätigt mir wieder, dass es sich lohnt, offen auf andere Menschen zuzugehen..
Das es sich lohnt, sich auf neue Begegnungen einzulassen ohne zu wissen, was einen erwartet..
Und auch heute Morgen ziehe ich wieder die Tür hinter mir zu und habe mit einem wildfremden Menschen eines der besten Gespräche geführt..
Meine heutige Etappe führt mich nach langem Überlegen und Planen schließlich in Richtung Kongsvinger, nordöstlich von Oslo.
Die Höhenmeter sind dabei deutlich weniger furchteinflößend als die letzten Tage.
Aus den bisherigen Morgenstunden gelernt, ziehe ich heute eine zusätzliche Jacke an.
Ganze 2 Kilometer weit komme ich, dann landet sie auf den Gepäckträger.
Wenn man vorm Aufbruch schon mal nicht auf die Temperatur schaut ...
Die erste Zeit geht es erneut ein wenig auf und ab, im Großen und Ganzen bleiben ich aber auf gleicher Höhe.
In Lilleström habe ich Oslo dann endgültig hinter mir gelassen und zweige in Richtung Nordosten ab. Von dort fahre ich die nächsten 50 Kilometer immer parallel zum Fluss Glomma, der auch endlich schöne Rastmöglichkeiten bietet.
Schon die letzten Tage und auch heute wieder erfordern die Straßenzustande mittlerweile immer mehr Aufmerksamkeit.
Nicht selten tauchen völlig unerwartet kaum sichtbare Schlaglöcher, Bodenwellen oder meine gefürchteten Längsrillen auf. Ein Moment der Unachtsamkeit kann böse Folgen haben, wie ich leider schon mal erleben musste. So traue ich mich kaum, den Blick einmal länger in der Umgebung verweilen zu lassen, auch wenn es schwer fällt .
Kurze Zeit später komme ich durch Årnes. Ein kleiner Ort, die üblichen kleinen Geschäfte.. Nichts Besonderes.
Bis mein Blick an einem Fahrradgeschäft hängen bleibt.
Kurzerhand drehe ich um. Es ist zwar noch nicht wirklich nötig, dennoch frage ich, ob sie meine Luft in den Reifen überprüfen und aufpumpen können.
Gern willigen sie ein...
Wir kommen ins Gespräch und wie soll es anders sein, es geht natürlich auch ums Wetter. Warum erzähle ich eigentlich jedem meine Bedenken? Dass den Sonnenschein niemand pachten kann, ist mir eigentlich klar..
Immerhin klärt er mich auf, Mai und Juni sind oft sehr schön, der Juli verregnet bevor der August wieder beständiger und sommerlich wird.
Zumindest sagt er mir das, was ich hören will... Zufall?
Er wünscht mir noch eine gute Reise, dann fahre ich weiter.
Und da ist sie dann wieder, die Freundlichkeit der Skandinavier..
Aber ich gehe ja danach auch wieder.
Kurz vor Disenå kommen mir seit langem einmal wieder zwei Bikepacker entgegen. Da ich mich auf keinem offiziellen Radweg mehr befinde, sieht man hier auch niemanden. Nicht mal Wochenendetagesausflügler sind unterwegs.
Umso mehr freue ich mich über die Begegnung, auch wenn sie mich links liegen lassen und nicht mal grüßen.
Eingebildete Schnösel.
Das Radeln geht heute ungewohnt leicht.. keine steilen Anstiege, lediglich ein sanftes Auf und Ab, sodass man aus dem Rollen nicht ständig herausgerissen wird. Auch der Wind hält sich heute zurück...
So macht es doch gleich viel mehr Spaß.
Landschaftlich hab ich das rauere Norwegen nun endgültig hinter mir gelassen. Wüsste ich es nicht besser, würde ich behaupten, ich bin schon in Schweden..
Und ich merke, dass es eben genau diese sanfte schwedische Landschaft ist, die mich jedesmal Mal aufs Neue begeistert...
Links und rechts tauchen immer wieder kleine und größere Bauernhöfe auf, die sich zwischen Wäldern und Seen verteilen. In jedem dieser Häuser könnte Michl und Ida aus Astrid Lindgrens Geschichten Zuhause sein.
15 Kilometer vor meinem heutigen Campingplatz ist leider der letzte Supermarkt, so heißt es mit vollem Rucksack die restliche Strecke bestreiten.
Es geht letztendlich zum Glück besser als gedacht und bereits am frühen Nachmittag checke ich ein.
Der kleine und überschaubare Campingplatz liegt am Storsjøen, einem wunderschönen See. Leider überwiegen hier die Dauercamper, da fühlt man sich als Tagesgast oft ein wenig fehl am Platz.
Ich lade erstmal alles ab, mach mir was zum Essen um schließlich auf der Karte nach einer schönen Runde zum Spazieren gehen zu schauen...
Fehlanzeige.
Lediglich die Straße führt am See entlang, ansonsten abseits keinerlei Wege.
Ich vertrete mir die Beine dennoch noch ein wenig am Campingplatz und bleibe am Ende am Bootssteg hängen..
Es ist angenehm warm, die Füße baumeln im Wasser und in der Ferne erheben sich ein paar bewaldete Berge..
Das erste Mal auf meiner Reise, dass ich so einen absoluten Ruheort gefunden hab.
Fast den ganzen Abend verbringe ich hier und lasse einfach nur meine Gedanken schweifen...
In solchen Momenten würde ich am liebsten die Zeit anhalten um das Gefühl und die Stimmung für die Zeit in Deutschland einfangen zu können...
Tag 11: Sand - Sulvik
105,75 km
741,39 km.Gesamt
Regentag
Der Wetterbericht treibt mich früh aus dem Bett.. Zwischen 10 und 11 Uhr angeblich ein wenig Regen, am Mittag nochmal etwas mehr.
Da ich heute über 100 Kilometer vor mir habe, möchte ich bis zum Nass werden so viel Strecke wie möglich geschafft haben.
Eine halbe Stunde Beine vertreten muss dennoch sein, der traumhafte Sonnenaufgang lässt mich an der Regenprognose gleich ein wenig zweifeln.
Unbegründet..
Weiß ich eigentlich. Aber naja..
Die Hoffnung.
Bereits Viertel 7 drücke ich die Starttaste am Tacho.
Allerdings nicht unvorbereitet.
Die Regejacke, -hose, der Poncho und die Überziehschuhe sind griffbereit.
Da die Strecke heute überwiegend flach ist, sollte ich gut voran kommen.
Doch zuerst geht es wieder zurück in Richtung Skarnes.
Es dauert keine 30 Minuten und ich spüre die ersten Tropfen.
Ein kurzer Blick ins Handy.. Die Wetter-App sagt immer noch erst ab 10.
Was spricht das Regenradar?
Eine Stunde sollte ich noch trocken bleiben.
Was sagt der Blick in den Himmel?
Tropfen auf der Sonnenbrille.
Nun aber die große Frage.. Reicht die Regenjacke oder doch lieber das Regencape?
Da in Sichtweite eine Tankstelle ist, vertrage ich die Entscheidung dorthin.
Einen Cappuccino später fällt die Wahl aufs Regencape, die Wolken in der Tankstelle aussitzen ist aufgrund des dort befindlichen Publikums keine Alternative.
2 Minuten später gleich mal eine Lektion für heute.. Teste alles, was du neu kaufst, Zuhause erstmal aus.
Am Ende stecke ich doch irgendwie drin, auch wenn es mir noch ein Rätsel ist, wie man damit Rad fahren soll. Immerhin der Helm passt drunter, der Rucksack wird leider nass. Minuspunkt Nummer 1.
Das Fahren geht dennoch besser als gedacht. Zumindest die ersten 3 Kilometer. Da das Cape durch den Fahrtwind immer wieder von den Beinen rutscht, sind sie irgendwann nass. Bei jedem Mal Treten bleibt es an der Haut haften...
Wie ich das hasse..
Aber selbst ist die Frau..
Wozu hat man denn sonst solche orangen Dinger dabei..
Eine Dauerlösung ist es dennoch nicht.
Man bleibt zwar trocken, zieht aber gefühlt einen Fallschirm hinter sich her. Auch das Wasser sammelt sich ständig in den Mulden aber bis Kongsvinger sollte ich es damit schaffen, dann frühstücke ich eh erstmal.
Die alte Straße parallel zur jetzigen Bundesstraße wird zum Glück kaum noch befahren und so bin ich am Sonntagmorgen mutterseelenallein unterwegs.
Kurz vor Kongsvinger hört der Regen dann tatsächlich auf.
Erleichtert packe ich das eigentlich ganz nützliche Teil erstmal weg, allerdings nicht zu weit..
Man lernt ja dazu.
Die Regenfrühstücksplätze erleben dieses Jahr immerhin ein Upgrade.. Keine unbequemen Bushaltestellen mehr, stattdessen Tisch und Stühle vor einer Sonntags geschlossenen Konditorei.
Das fällt schon unter Luxus.
Weiter geht's, ab hier nun in südlicher Richtung.. Damit sollte ich aus dem Wolkenband irgendwann heraus sein.
Die Landschaft auch hier wieder unheimlich schön. Wälder, überall ein See, der zum Baden einlädt (im Moment eher nicht) und dazwischen rot bemalte Bauernhöfe und Häuser.
Zum Glück ist es einigermaßen warm, die Wolken stören daher wenig, solange es trocken bleibt.
Ein wenig verwundert schaue ich irgendwann auf den Tacho.. Das Höhenprofil bewegt sich nicht weiter und die Zielfahne ist viel zu nah, eigentlich hab ich noch 70 km vor mir..
Einen kurzen Moment später macht es Klick.. Dort ist die Landesgrenze.. Hab ich die schwedische Karte etwa gelöscht?
Ein schneller Blick in die App.. tatsächlich.
Karten-Update aufgrund von geringem Speicherplatz nicht möglich.
Also kurze Pause, Tacho über einen Hotspot mit dem Internet verbinden und laden..
"Karten-Update während laufender Aufzeichnung nicht möglich."
War ja klar..
Ich breche die Route ab und versuche sie nochmal neu zu starten..
Man versucht ja alles..
Und tatsächlich, Schweden ist wieder da..
Geht doch!
Erleichtert fahre ich weiter, der Grenze immer näher.
Seit langem begegne ich wiedermal einen Jogger.. Bei 16 Grad leider mit einem Kleidungsstück zu viel..
Schade.
Bei Eda Glasbruk ist es schließlich soweit, ich verlasse ein tolles Land..
"Farvel Norge"
Standesgemäß werde ich in Schweden mit Regen begrüßt.
Ob das ein schlechtes Ohmen ist?
Und wieder die große Frage:
Regenjacke oder Regenponcho?
Jacke sollte reichen..
300 m weiter weiß ich, Jacke reicht nicht.
Und so werfe ich es mir wieder über.
Vorteil.. die Farbe sticht ins Auge, auf der Straße, die mich jetzt erwartet, mehr als richtig.
Leider gibt es ab der Grenze zur viel befahrenen Bundesstraße keine Alternative für Radfahrer.
Und auch die Autofahrer sind hier nicht mehr ganz so rücksichtsvoll.
Die nächsten 5 Kilometer sind ein einziger Kampf.
Es regnet, ständig donnert ein Fahrzeug hautnah an mir vorbei, der Wind von vorn und dann muss ich auch noch aufs Klo.
Mal ganz davon abgesehen, dass es an so einer Straße keine Möglichkeit gibt... geh mal mit so einem Zelt pinkeln...🤷🏼♀️
Die Kirche von Eda ist meine Rettung, hier zweigt eine kleine Nebenstraße ab.
Vom Himmel kommen mittlerweile zum Glück auch nur noch ein paar wenige Tropfen.
Ich riskiere es und ziehe meinen Überwurf wieder aus.
Keine 300 m weiter sind die Straßen komplett trocken..
Bis zu meiner heutigen Unterkunft fehlen nur noch 15 Kilometer, dafür mit den meisten Höhenmetern für heute.
Hat man einen Hügel erklommen, wartet hinter der Kurve schon der Nächste.
Ein wenig Unmut macht sich breit.
"Beschwer dich nicht, es könnte dabei auch regnen.."
Dieser Dialog mit mir selbst, wovon es übrigens sehr viele jeden Tag gibt, lässt mich ein wenig motivierter weiterfahren und das Ganze zuende bringen.
In Sulvik mache ich noch einen Abstecher in den Supermarkt, die haben in Schweden zum Glück wieder überall sonntags geöffnet, bevor ich den heutigen Tag in einer wunderschönen kleinen Hütte beende.
Ja, heute lasse ich es mir dank AirBnB mal gut gehen.
Was für ein tolles kleiner Reich...
Die Waschmaschine muss ich gleich nutzen und so fliegt erstmal alles in die Trommel.
Danach nutze ich die Sonne und mache noch einen Spaziergang durch das Berg Klätts Naturreservat..
Das Handy immer dabei, die Karte braucht man in Schweden einfach immer.
Da ich mir nicht sicher bin, ob links oder rechts, schaue ich sicherheitshalber nach..
Ich drücke eine Taste..
Es tut sich: Nichts.
Ich drücke nochmal: Nichts
Ich halte den Einschaltknopf lang: Nichts
Ich halte den Einschaltknopf und die Leisertaste lang: Nichts
Ich halte alle anderen Tasten lang: Nichts.
Mein erstmal einziger Gedanke:
Wie schicke ich heute eine Botschaft nach Hause, dass es mir gut geht...?!
Also an dieser Stelle liebe Mama..
Wenn du mal nichts von mir hörst, ich lebe höchstwahrscheinlich noch.
Ich probiere es noch ein paar Mal.
Irgendwann erscheint zumindest immerhin ein kleiner Text mit irgendwelchen Hieroglyphen.
Mittendrin "Error".
Ich verstehe zwar nicht viel, aber Error verstehe ich dann doch.
5 Sekunden später der erlösende Momente.. Das Rädchen dreht sich wieder, die Pin wird verlangt und am Ende ist auch noch alles da.
Puh.. Glück gehabt.
Und so setze ich nach dem Schreckmoment meinen Weg fort.
Das Naturreservat ist menschenleer.
Genau das, was ich heute brauche.
Absolute Stille..
Man hört nur ein paar Vögel und den Wind, der durch die Bäume rauscht.. Am anderen Ufer vereinzelt ein kleines Haus..
Schweden wie es im Buche steht..
Tag 12: Sulvik - Sunne
76,17 km
817,56 km Gesamt
Der Tag startet neblig. Man kann kaum weiter als 50 m schauen.
Meine Hoffnung, bis zu meinem Aufbruch wird es etwas besser, zerschlägt sich recht schnell.
Es hilft nichts, die Regenjacke muss her.
Ein wenig Sorgen macht mir meine Achillessehne. Eigentlich dachte ich, die Zeit auf dem Rad und das wenige Laufen würde das Ganze mal aus der Welt schaffen, aber eher das Gegenteil ist der Fall.
Durch die IBU am Morgen schmerzt sie tagsüber zwar nicht, abends merke ich aber, dass sie geschwollen ist.. Eine mit Wasser gefüllte Flasche aus dem Eisfach muss erstmal Linderung verschaffen. Um eine Apotheke komme ich aber wohl nicht herum.
Schweren Herzens verlasse ich meine gemütliche Hütte... Hier hätte ich es länger ausgehalten.
Aber ich breche auf.
Bis Arvika sind es 12 Kilometer. Vielleicht schafft es die Sonne bis dahin.
Schon nach 4 Kilometer schwitze ich. Es sind einfach keine Temperaturen für windichte Jacken. Das Wasser tropft jedoch schon vom Helm, die Schuhe sind nass und auch die Brille muss ich immer wieder trocken wischen...
Die Jacke ziehe ich trotzdem aus. Bis Arvika wirds schon irgendwie gehen.
Leider ist das auch keine Alternative. Schon nach kurzer Zeit ist die dünne Jacke nass.
Und vielleicht bin ich gerade ein wenig genervt.
In Arvika mache ich daher erstmal eine kurze Supermarktpause. Dort ist's wenigstens trocken. Und ein Cappuccino hilft ja eh immer.
Okay.. so kurz wird sie dann doch nicht, ganze 20 Minuten verbringe ich gezwungenermaßen im ICA. Anscheinend ist diese Woche die Milch im Angebot. Wenn man die Einkaufswägen so sieht, passiert das wahrscheinlich nur 1x im Jahr.
Vielleicht gibt's aber auch eine neue Pandemie, von der ich noch nichts weiß..
Als ich es endlich nach draußen geschafft hab, lichtet sich der Nebel ein wenig.. Bis Västra Furta hat er sich dann endgültig verzogen und der Sonne den Vortritt gelassen.
Da ich heute viel auf kleineren Verbindungsstraßen unterwegs bin, nehme ich die erstbeste Sitzgruppe auf einem Spielplatz.
Schöne Rastplätze sind hier eher selten.
Die Sonne wärmt angenehm und so bin ich auch schnell wieder trocken.
Keine 4 Kilometer weiter, in Edane, wie soll es auch anders sein, eine traumhafte Bank mit Tisch im Hafen.
Um immer mal wieder den verkehrsreichen Straßen zu entkommen, hab ich meine Route gelegentlich auf Parallelwege geleitet. Dass die in Komoot gekennzeichneten Schotterwege in Schweden nur Trampelpfade sind, hab ich seit letztem Jahr scheinbar vergessen.. oder verdrängt.I
Und so lande ich auf einem völlig zugewachsen Weg.
Vielleicht sollte ich auch erwähnen, das ich wiedermal auf einem Privatgrund stehe?
Im Augenwinkel sehe ich schon die Hausherrin auf mich zukommen.
Aber jeder noch so wütende Grundstücksbesitzer ist mir lieber als ein Hund. Von daher bleibe ich entspannt.
Bevor sie zu Wort kommen kann, entschuldige ich mich und schiebe alle Schuld auf die Navigation.
Sie lacht nur und fragt, wo ich denn hin möchte.
Ich zeige ihr die Strecke, dann schickt sie mich auf den zugewachsen Weg.
Du kannst den schon nehmen, evtl musst du schieben. Nur für Autos ist er nichts. Sind nur 200 m.
Alles klar.
Sie wird's schon wissen.
Schon nach 100 m frage ich mich, ob sie hier schon jemals gewesen ist.
Das Dickicht wird immer undurchdringlicher. Absteigen und schieben muss ich tatsächlich.
Doch auch das geht nach kurzer Zeit fast nicht mehr. Große Äste versperren den Weg, sumpfiger Untergrund gibt dem ganzen den Rest.
Olle Schachtel.
Ich kämpfe mich weiter durch, zurück ist keine Option.
Endlich an der Straße angekommen hoffe ich, dass das der erste und einzige Abschnitt für Fortgeschrittene war.
Weiter geht's auf der Straße, wie schön es sich doch wieder fahren lässt.
Ich erreiche den Rinnen, ein wiedermal traumhaft gelegener See.
Anhand der Karte weiß ich, dass ab hier eine Steigung von 250 HM auf mich wartet, falls ich der Hauptstraße folge.
Wenn ich jedoch etwas weiter südlich Richtung Mellanfryken, den See auf der anderen Seite, fahre, sollte die Steigung etwas gemächlicher sein.
Gesagt, getan. Einmal rechts, nach 200 m links..
Sackgassenschild.
Normalerweise schenke ich solchen Schildern wenig Bedeutung, irgendwo kommt man schon immer durch.
Da aber aus der Aktion vor 20 Minuten noch was hängen geblieben ist, überlege ich lieber einmal mehr, bevor ich weiterfahre.
Ich schaue kurz auf die Karte, da der Weg eigentlich gut fahrbar aussieht.
Angeblich soll er so weiter gehen..
Ein Bauer mit seinem Bulldog kommt gerade richtig. Ich halte ihn auf und frage, ob ich den Weg mit dem Fahrrad fahren kann.
Nein, tue es nicht. Bleibe lieber auf der Straße.
Das war jetzt nicht das, was ich hören wollte.
Ich weise ihn auf den langen Berg hin und frage ob es eine flachere Alternative gibt.
Die gibt es tatsächlich, sind am Ende halt 30 km mehr.
In der Hoffnung, dass ihm vielleicht doch noch einfällt, dass der Weg gar nicht so schlimm ist, frage ich nochmal, ob es hier wirklich kein Durchkommen für mich gibt.
Er verneint leider immer noch.
Ich ergebe mich, bedanke mich, drehe um und kämpfe mich auf den 250 Meter hohen Gipfel.
Klingt nicht schlimm, macht mit Gepäck aber nur bedingt Spaß.
Umso schöner ist dann schließlich die Abfahrt, auch wenn mit Gepäck bei 40 kmh Schluss ist. Bei jedem kmh schneller fängt alles bedrohlich an zu wackeln.
Lieber nichts riskieren.
Die letzten 15 Kilometer führen mich nun am See entlang. Die Alternative zur Staatsstraße sind Wege durch die kleinen Dörfer. Eine Rampe nach der anderen hoch und gleich wieder runter.
Dann doch lieber 4 Kilometer gemächlich bergauf.
Mein heutiges Ziel ist Sunne..
Ich glaube an einen Schreibfehler und hoffe, dass der Name auch Programm ist.
Und tatsächlich.. ich komme bei schönstem Sonnenschein an.
Die Nacht verbringe ich bei Eva..
Ihr Haus hat sie am Stadtrand, mit Blick auf den Wasserpark mit unzählig vielen Rutschen.
Eine idyllische kleine Schwedenstadt sieht anders aus.
Das Zentrum ist dann zum Glück schon etwas beschaulicher.
Mitten durch den Ort schlängelt sich die Verbindung zwischen Övre Friken und Mellanfryken.
An den Bootsstegen ankern die Privatboote der Einmischen, überall verschönern bunte Blumenbeete das Ortsbild.
Es gibt auch eine Apotheke und so decke ich mich mit Voltaren und Ibu ein.
Mehr Möglichkeiten hab ich aktuell nicht.
Auf dem Rückweg beobachte ich einige Jungs beim Angeln. Nicht älter als 12 oder 13.
Nach einigen Versuchen haben sie tatsächlich ein Fischchen am Haken, kaum der Rede wert, der darf bestimmt wieder ins Wasser...
Aber Fehlanzeige.
Einer von ihnen legt ihn auf den Bootssteg, lässt ihn erst ein wenig zappeln, dann versucht er ihn mit seiner Badeschlappe zu erschlagen. Als das alles nichts bringt, lassen sie ihn noch ein wenig um sein Leben kämpfen und legen ihn schließlich in eine Plastiktüte...
Eine Szene, die mich doch ein wenig entsetzt, so dachte ich doch, in Schweden lernt man das richtige Angeln schon im Kindergarten.
Da ich mir das Ganze nicht nochmal anschauen will, mache ich mich auf dem Rückweg.
Und auch hier komme ich wieder an wunderschönen Häusern und Grünanlagen vorbei. Eine architektonisch schöne Kirche erhebt sich auf einem kleinen Hügel über der Stadt.
Was für ein toller kleiner Ort am Mellanfryken.
Tag 13: Sunne - Mjönäs
90,30 km
907,86 km Gesamt
Auch heute Morgen liegt ein leichter Nebel in der Luft, aber bei weitem nicht so schlimm wie gestern. Zumindest komme ich trocken vom Laufen zurück. So nass wie mein Rad allerdings ist, bin ich froh, die Nacht nicht im Zelt verbracht zu haben.
Mittlerweile habe ich keinen so richtigen Plan mehr, deshalb fahre ich heute einfach wieder etwas nördlich, in Richtung Stöllet.
80 Kilometer, gerade richtig.
Zu Beginn geht's nochmal durch Sunne und so kann ich einen letzten Blick auf den niedlichen Hafen werfen.
Es dauert keine 20 Minuten, dann muss ich erneut Angst haben, die Autofahrer übersehen mich, so zäh ist die Nebelwand.
Was mich gestern schon genervt hat, tut es heute auch wieder - innerhalb kürzester Zeit ist alles nass. Es hilft nichts, mein rosa Müllsack muss wieder her. Das Cape ist nicht ganz so robust und dicht wie der richtige Regenponcho, für die Nebel-Feuchtigkeit reicht es aber.
Auf ungefähr halber Strecke zwischen Sunne und Lysvik biege ich rechts ab um den bevorstehenden längsten Anstieg hinter mich zu bringen.
Die Alternative wäre flach bis Lysvik gewesen, von dort ginge es aber erneut schonungslos über 200 Höhenmeter bergauf.
Das Vergnügen hatte ich gestern bereits und zehre immer noch davon.
Brauche ich so schnell nicht nochmal.
Stattdessen steigt es für mich nun ganz gemächlich bergan.
So gefällt mir das schon besser.
Ab Bäckalund geht es weiter auf dem Kamm entlang, mitten durch Wälder und kleine Ortschaften mit zwei bis drei Häusern.
Heute bin ich mittendrin in dem Schweden, das ich so liebe.
Nur vereinzelt kommt mal ein Auto, so fühlt man sich wenigstens nicht ganz so verlassen und weiß, im Notfall kommt man auch per Anhalter weiter.
Mittlerweile scheint nun auch die Sonne, die das ganze Landschaftsbild noch um einiges schöner wirken lässt..
Stundenlang könnte ich so dahin radeln...
Eine Möglichkeit zum Frühstücken gibt's natürlich wieder mal nicht.. Mein Upgrade war anscheinend nur zum Testen, hier gibt's nicht mal mehr Bushaltestellen.
Kurz nach Lövstaholm fahre ich wieder mitten rein, in die Nebelsuppe.
Wo kommt der nun so plötzlich wieder her?
Naiv wie ich bin, gehe ich davon aus, dass es nur noch ein Nebelrest ist, der es nicht geschafft hat, sich aufzulösen.
30 Minuten später weiß ich es wieder mal besser... Trist und trüb wohin man schaut. Und immer noch keine Möglichkeit zum Essen..
Kurz vorm Lakenesjön biegt mein Route links ab, direkt auf eine geschotterte Straße.
Solche Passagen sind ansich kein Problem.
Wenn aber die Wernberger Waldarbeiter unterwegs waren und den Weg kilometerlang aufgelockert haben, dann hat man schon nach kurzer Zeit einfach nur genug.
Überall loser Boden, mit Steinen so groß wie Tischtennisbälle.
Der immer noch dichte Nebel tut sein Übriges.
Hin und wieder begegne ich einem Auto, eines davon hält an.
Sehe ich wirklich so verzweifelt aus wie ich mich fühle?
Auf die Frage, ob er mir helfen kann, muss ich leider verneinen.
Was soll er schon tun, auch wenn ich mich über seine Hilfsbereitschaft riesig freue.
Dennoch unterhalten wir uns am Ende fast eine Viertel Stunde. Ich erfahre, dass seine Tochter auch gerade mit dem Rad durch Norwegen fährt, wie weit es bis zum nächsten Ort ist und wo es evtl Sitzgelegenheiten geben könnte.
Da mich der Hunger weiter treibt, verabschiede ich mich schweren Herzens von ihm...
Auch wenn ich diese ruhigen und wenig besiedelten Gegenden mag, hab ich so eine Begegnung gerade einfach gebraucht.
Ich schaue auf die Karte und versuche ausmachen zu können, wie lang ich dieses Elend noch ertragen muss..
Vergeblich.
Man erkennt nichts.
Ständig rutsche ich weg..
Wie lang das wohl noch gut geht...?!
Nach etwa 6 Kilometern erreiche ich Södra Skoga.. Gott sei Dank, endlich wieder mal eine größere Häuseransammlung..
Wir sprechen hier von 4-5.
Und auch die asphaltierte Straße ist zurück.
Meine Hoffnung auf eine Bushaltestelle zerschlägt sich jedoch auch hier wieder.
4 Kilometer, dann kommt Norra Skoga.. Ein nächster kleiner Hoffnungsschimmer.
Ich komme zum Glück wieder besser voran, auch wenn die Freude nur kurz wärt. Nach einem Kilometer geht die Straße erneut in diesen beschissen aufgelockerten Weg über ...
Und das ist er dann, dieser Moment, in dem ich mein Rad am liebsten in den Graben und alles hinschmeißen würde..
Dieser Weg bringt mich heute an meine Grenzen..
Nicht körperlich, aber mental.
Diesmal deutlich früher als letztes Jahr, aber das hab ich kommen sehen.
Dass man damit das Nicht löst, weiß ich, deshalb geht es weiter.
Ab Norra Södra könnte ich improvisieren und gleich in Richtung Kläralven-Radweg weiter fahren. Dort ist mit Sicherheit alles asphaltiert und es sollte auch mal eine Bank kommen.
Dass der Nebel an diesem Fluss jedoch verschwindet, daran glaube ich nicht.
Dennoch, ein ordentlicher Untergrund wäre ja schon mal ein Anfang.
5 Kilometer sind es, dann erreiche ich die Hauptstraße in Richtung Ekshärad.
Prima!! Da kommt doch wieder nichts.
In dem Moment sticht mir ein unbewohntes Haus ins Auge, davor eine kleine Veranda.
Bis hierher und nicht weiter. Und so gibt's wenigstens erstmal Frühstück.
Unbequem auf Holzstufen.
Aber irgendwann ist's auch schon egal.
Ein kurzer Blick auf den Tacho.. Noch 40 Kilometer.. Auf keinen einzigen hab ich gerade noch Lust.
In dem Moment strahlen mir die ersten Sonnenstrahlen ins Gesicht und immer mehr blauer Himmel kommt zum Vorschein.
DANKE nach oben 🙏🏼
Genau das hab ich jetzt gebraucht.
Ich lasse mir Zeit, zu gut tut die Wärme der Sonne.
Etwas motivierter setze ich mich schließlich wieder aufs Rad.. Der Verkehr auf der Straße sollte zum Aushalten sein, ich saß ja nun eine dreiviertel Stunde direkt daneben und konnte es beobachten.
Und so ist es dann auch.
Die 12 Kilometer bis Ekshärad rollen fast von allein.
Leider muss ich hier schon in den Supermarkt, denn auf die restlichen 27 Kilometer kommt Nichts mehr.
Ich schließe gerade mein Rad ab, da spricht mich ein Mann an. Wo ich denn hin möchte und was mein Ziel dieser Reise ist.
Tja.. Und dann gibt es eben auch in Schweden Menschen, da möchte man einfach so tun, als hätte man sie nicht gehört... Die Klamotten schon ewig nicht mehr gewaschen, ungepflegt von oben bis unten.. fehlt nur noch, dass der Zipfel aus der Hose hängt...
Schnell schaue ich, dass ich weiter komme.
Es dauert keine 10 Minuten, dann folgt die Situation "bellender Hund auf Grundstück".
Erst höre ich ihn, dann sehe ich ihn..
Jetzt kannst du nur hoffen...!
An der offenen Einfahrt schießt er jedoch vorbei und bellt mich hinter dem Zaun am anderen Ende vom Grundstück weiter an...
Was stimmt denn mit dem nicht?
Das ging ja nochmal gut.
Die letzten 25 Kilometer führen nun über den Klarälven-Radweg.
Nahezu autofrei, größtenteils flach bis auf eine längere Steigung über den Brattafallet aber bei Sonnenschein ist das ein versöhnlicher Abschluss für all die Kilometer vorher.
Nach insgesamt 90 Kilometern treffe ich am Björkebo Campingplatz ein, der von einem deutschen Ehepaar geführt wird.
Schon der erste Eindruck überzeugt.
Ich miete mir eine kleine Hütte, die gibt's hier fast geschenkt.
Bei der Mückeninvasion tatsächlich auch die bessere Wahl, auch wenn das schwedische Mückenspray, dass ich mir gestern in weiser Vorahnung noch gekauft hab, hält was es verspricht.
Ich bekomme eine kleine Hütte, gleich in der Nähe der Rezeption.
Spazieren gehen braucht man hier heute nicht mehr, die 10 Kilometer bekommt man auch zusammen, wenn man 3 x aufs Klo und 1x zur Dusche geht.
Campingplatzbetreiber in Schweden ist eigentlich ein toller und leichter Job..
Nachmittags sitzt man ein wenig an der Rezeption, vormittags mäht man Rasen..
Das könnte ich auch.
Dennoch ist es ein liebevoll geführter Platz, der dadurch auch fest in deutscher Hand ist.
Da mir heute das Alleinsein aber sowieso ein wenig zu schaffen macht, bin ich darüber sogar recht froh, so fühlt man sich doch nicht ganz so einsam in der Fremde...
Fazit des Tages:
Du bist nicht in Schweden, wenn du nach dem Wildpinkeln nicht mindestens 3 Mückenstiche am Hintern hast.
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Tag 14: Mjönäs - Uddeholm
80,68 km
988,54 km Gesamt
Nach einer Nacht, in der ich tatsächlich mal richtig gut geschlafen hab, geht's heute ohne Nebel in den Tag.
Gerade hier am Wasser hätte ich eigentlich fest damit gerechnet.
Aber ich will mich nicht beschweren.
Die Laufrunde wird wieder sehr provisorisch, so gibt es auch hier nur die Hauptstraße. Abzweigende Wege führen nur zu Grundstücken und enden meist in einer Sackgasse.
Oder vor einem aggressiven Hund.
Mein Weg führt mich heute nochmals auf den Klarälven-Radweg, diesmal südwärts in Richtung Hagfors.
In Uddeholm hab ich ein kleines Hotelzimmer gebucht, da es in der Nacht mehrere Stunden regnen soll.
Auch heute Vormittag soll es angeblich kurz nass werden...
Ich bin gespannt.
Schon nach wenigen Kilometern begegne ich immer wieder Warnschildern, die auf Elche hinweisen.. Ich würde ja gern wiedermal einen sehen..
Der Verkehr ist um diese Uhrzeit überschaubar, da könnten sie sich doch eigentlich zeigen..
Der Radweg verläuft nun leicht wellig, parallel zum Fluss, da rollt man fast von allein.
Innerhalb kürzester Zeit erreiche ich Ekshärad und nutze gleich nochmal die Einkaufsmöglichkeit von gestern.
Die größte Challenge dabei besteht jedoch erstmal darin, vor dem anderen Supermarktkunden am Pfandautomat zu sein.
Da ich mit 3 Flaschen schneller unterwegs bin als er mit seiner Containerladung, gewinne ich.
Weiter geht es nun auf der anderen Seite vom Fluss. An dieser Stelle hab ich ihn gestern schon überquert, kurz danach kam das Grundstück mit dem Hund.
Ich hab's nicht vergessen und wähle vorsichtshalber einen anderen Weg.
Außer ein paar Häusern kommt die nächsten Kilometer nicht viel.
In Bergsäng probiere ich mein Glück, weiche kurz von meiner Route ab und werde bei einer Schule fündig...ein Tisch und was zum Sitzen.
Nächste Challenge für heute geschafft.
Mit Hagfors erreiche ich anschließend wieder eine größere Ortschaft. Außer einer schönen Kirche verpasst man nicht viel.
Da es nur noch 10 km bis zu meinem Hotel sind, wir aber noch nicht mal Mittagszeit haben, beschließe ich, noch einen Abstecher um den Rådasjön zu machen.
Das Wetter sieht gut aus, der angekündigte Regen ist aus der Vorhersage wieder verschwunden.
Auf der Ostseite verläuft die etwas größere Straße, doch der Verkehr hält sich in Grenzen.
Immer wieder kommen links und rechts vereinzelte Häuser.. Einige verfallen, andere wunderschön hergerichtet.. Doch kein einziges verschandelt das Landschaftsbild.
Und manchmal frage ich mich dann, ob sie sich selbst überlegen dürfen, wie sie ihr Dorf nennen. Aber wer will auf die Frage, "Woher kommst du?", nicht gern mal mit :
" aus Loveyourhorse"
antworten.
In Lidsbron erreiche ich schließlich die Wende, ab hier geht's wieder nordwärts, jedoch auf der westlichen Seite des Sees.
Mit dem Ändern der Himmelsrichtung nun auch die ersten Tropfen.
Schnell wird es wieder weniger, den Poncho hole ich sicherheitshalber trotzdem raus und klemme ihn auf den Gepäckträger.
Der Regen soll ruhig sehen, dass ich gerüstet bin.
Kurz darauf geht's wieder los..
Ein Versuch war es wert.
Fahre ich so weiter, bin ich bald durchnässt.
Da ich leider keinen Fahrradständer hab, brauche ich immer eine Möglichkeit um mein Rad anzulehnen.
Oftmals ein kleines Problem.
Auch zum Unterstellen kommt wieder mal nichts.. Kein Unterstand, keine Bushaltestelle..
Aber hauptsache die Mülltonnen haben es trocken.
Aber was will man erwarten in einer Gegend, in der man in "Loveyourhorse" wohnen kann.
Am Ende rettet mich ein Baum.
Schnell ist mein Regenschutz übergestülpt, für 14 Kilometer ertrage ich das jetzt schon noch.
Die Wäscheklammern spare ich mir, mit der Hand am Lenker festhalten geht auf die kurze Distanz auch ganz gut.
Kurz vor Råda hört es wieder auf.
Schnell ziehe ich das nervige Teil wieder aus, ist eh zu warm.
In dem Moment, als ich es mir über den Kopf ziehe, springen mir zwei weiße Schlaufen ins Gesicht...
Waren die vorgestern auch schon da?
An dieser Stelle an Dankeschön an meine liebe Mama, die jeden Abend fleißig meinen Bericht liest, sich mit diesen Regencapes am Rad bestens auskennt und mich trotzdem nicht aufklärt. 🤪
Die letzten 5 Kilometer bis zum Hotel bleibe ich dann zum Glück trocken.
Von außen macht es gleich einen positiven Eindruck
An der Rezeption ist niemand, aber ich probiere es einfach mit der Klingel.
Es dauert keine Minute , dann steht die Hausherrin hinter mir.
Ein kurzer Check-in, das Rad sicher im Waschkeller verstaut , sie zeigt mir mein Zimmer und den Platz der Kaffeemaschine.. Das waren anscheinend die vier wichtigsten Punkte, dann lässt sie mich allein.
Etwas hilflos stehe ich im ...
Ja.. wo stehe ich eigentlich?
Im Gutsherrenzimmer?
An der fürstlichen Kaisertafel?
In der Empfangshalle eines Museums?
Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hinschauen soll.
Kurz zweifel ich, ob ich hier überhaupt richtig bin.. Aber da sie über meine Ankunft Bescheid wusste, kann es kein Versehen sein..
Vielleicht ist es auch nicht die Rezeptionistin sondern eine adelige Gutsherrin?
Wer weiß das hier schon...
Ich lasse alles wirken, dann beziehe ich mein Zimmer und gehe erstmal duschen.
Warum kommt das Wasser nun nicht aus goldenen Hähnen?
Das enttäuscht mich jetzt fast schon ein wenig.
Je öfter ich durch die Räume wandle, desto besser gefällt es mir.. Wer darf schon mal in einem adeligen Anwesen übernachten.
Lediglich der Elch, der mich böse anschaut, irritiert mich auch beim 5. Mal Vorbeigehen noch..
Da es draußen mittlerweile wieder recht freundlich ist, zieht es mich nochmal in die Umgebung.
Meine Runde wird länger als gedacht, zu schön ist die Umgebung...
Am Abend genieße ich noch ein paar wenige Sonnenstrahlen auf dem Bootssteg vom Badeplatz...
Und als ich da so am Wasser sitze, wird mir bewusst, ich mag das Meer und die Küste sehr..
Aber diese unberührte Natur im Inland, die zahlreichen Seen, die Ortschaften, in denen gefühlt oft die Zeit stehen geblieben ist..
Das ist es, was mich jedesmal herunterkommen und innerlich ruhig werden lässt...
Egal wo die Gedanken gerade sind..