"Wunder beginnen dann, wenn wir unseren Träumen mehr Energie geben, als unseren Ängsten."

Tag 1: Anreise


16 Uhr - Bahnhof Weiden - Flixbus Richtung Norden.

Bikepacking Skandinavien Nummer 2.


Dieses Jahr weniger unbefangen, dafür hoffentlich besser ausgestattet und vorbereitet. 

Aber ich starte auch mit deutlich mehr Respekt... Vor dem Wetter, vor Pannen, vor der Strecke..


In den Taschen diesmal mehr Regenausrüstung, weniger Sommerklamotten, diverse Ersatzteile  und vor allem ein großer Radcheck vor Abreise. 


Keine Sonnencreme, dafür mehr Wechselsocken.

Keine kurze Hose, dafür eine zweite Regenjacke.

Kein zweites T-Shirt, dafür die lange Laufhose.

Keine wasserfesten Taschen, dafür die wasserdichten.


Die Tage vorher keine Angst, keine Zweifel, kein einziger Gedanke ans "gar nicht erst starten", aber die Unbefangenheit vom letzten Jahr ist weg. Dennoch freue ich mich auf die kommende Zeit... Der lang ersehnte und dringend notwendige Ausbruch und Abstand von allem, was im vergangenen dreiviertel Jahr passiert ist.




Meine erste Etappe führt mich heute bis Leipzig. Bei Steffi verbringe ich eine Nacht, bevor es morgen 5:14 Uhr mit dem Zug bis Hirtshals geht. 

11 Stunden Zugfahrt.

Ich weiß nicht, was ich mir beim Ticket buchen gedacht hab, so gleicht es doch einem 6er im Lotto, sollte bei 6x umsteigen alles reibungslos funktionieren. 



Der erste Tag beim Alleinreisen ist immer sch***. 

Ich war schon oft allein unterwegs und es war bisher immer eine unglaublich wichtige und unvergessliche Erfahrung. Und trotzdem gibt es vor der Reise immer den Moment, in dem ich Angst habe, dass dieses Mal alles anders wird. 


Und so stehe ich auch dieses Jahr wieder an der Haltestelle, warte auf den Bus und schaffe es nicht,  den Ängsten und Zweifeln keinen Raum zu geben. 


Aber die Ein oder Andere Träne ist schnell verdrückt, so hab ich doch am Ende bisher noch keine Reise bereut und es waren immer die Zeiten, in denen ich am meisten über mich selbst gelernt hab.


... Und vor allem waren es die Zeiten, an denen ich gewachsen bin....



Tag 2: Anreise 



Mit einer Verspätung von 15 Minuten bin ich am Abend in Leipzig angekommen.


Noch lange sitzen Steffi und ich zusammen. Auch wir haben uns seit November nicht mehr gesehen .. 


Das erste Mal seit 10 Jahren stelle ich mir einen Wecker. Sowohl am Handy als auch auf der Uhr. Sicher ist sicher. 



Wie befürchtet, ich schlafe schlecht. Es geht einem doch zu viel durch den Kopf.  Den Wecker schalte ich kurz nach 4 Uhr aus. Zum Einsatz kommt er damit auch diesmal wieder nicht..


Zum Glück gibt's bei Steffi im Bad keinen Spiegel. Sollte ich allerdings so aussehen , wie ich mich fühle, falle ich gleich am Bahnhof noch nicht mal auf. 


Knapp 1,5 Kilometer bis zum Bahnhof offenbaren dann gleich mal alles, was am Rad nicht passt. Mit den Beinen stoße ich an die Oberrohrtasche und die Lenkertasche ragt zu weit nach links und rechts, dadurch kann ich nicht schalten.


Egal.


Richten kann ich es morgen auch noch.


15 Minuten vor Abfahrt bin ich am Bahnsteig. Zugteil Nummer 5 steht auf dem Ticket, was auch schnell gefunden ist.

Und dann blicke ich um kurz vor 5 gleich mal in erstaunte und große Augen der Zugbegleiterin.


Mit einem " Haben Sie reserviert?" werde ich begrüßt. 

Ein kurzer Blick durchs Fenster erklärt schließlich ihre Frage. 

Wo mein Fahrrad noch Platz finden soll, ist auch mir ein Rätsel.


In einem kurzen Gespräch klärt sie mich auf, es dürfen nur 8 Fahrräder mitgenommen werden, meins ist Fahrrad Nummer 9. 

Mein Augen-verdrehen bleibt ihr offensichtlich nicht verborgen. Sie weist mir kurz eine Stelle zu und verabschiedet sich schließlich mit einem 

" man muss ja mal fragen dürfen." 


Darf man. 

Dass jedoch schon vor Abfahrt des ersten Zuges die desaströsen Zustände der Deutschen Bahn zum Tragen kommen, damit hätte ich nicht gerechnet. 

Immerhin fahre ich pünktlich 5:14 Uhr aus dem Bahnhof. Mögen die nächsten 11 Stunden komplikationsloser verlaufen.


Genau nach Fahrplan bin ich um 6:30 Uhr in Berlin, auch der Umstieg klappt problemlos. Während der Zug ab Leipzig fast schon überfüllt war, ist der ICE bis Hamburg nun wie ausgestorben. Lediglich 4 andere Radreisende sorgen für ein wenig Abwechslung. 

Nach einigen Sätzen wird klar, ich bin im Lehrereck gelandet.  

Da ich mich am ersten Tag nicht gleich über Stundenpläne, Lehrermangel und unkooperative Eltern unterhalten möchte, wechsle ich schnell das Thema. 


Die beiden Männer sind schon fertig mit ihrer Reise. Von Wien sind sie über Tschechien in Richtung Norden geradelt. Und so erfahre ich auch sehr viel über all ihre abenteuerlichen Erlebnisse, die sie mit Rad und der Deutschen Bahn in den letzten Jahren gesammelt haben. 

In dem Moment wünschte ich mir, ich hätte einen anderen Platz gewählt. 

Manche Dinge will man einfach an einem 11 Stunden Bahnfahr-Tag nicht wissen. 


Auch der Umstieg in Hamburg verläuft ohne Zwischenfälle. 2 Stunden bis Flensburg. Dort bleiben mir 10 Minuten. 


Sollte ich an dieser Stelle eigentlich erwähnen, dass es regnet? Oder schweigt man das ein Jahr später  besser tot. 🤔





Es dauert keine 30 Minuten, dann folgt die erste Durchsage des Schaffners.

" Liebe Fahrgäste, leider haben wir einen hochwichtigen Güterzug vor uns, der nicht schneller als 60 kmh fahren darf. Aber dafür haben Sie sicher Verständnis." 


Höre ich da ein wenig Ironie heraus?


In Elmshorn der nächste Stopp. 

Erneut ertönen die Worte des Schaffners..  

" So! Wenn Sie jetzt mal die Rübe aus der Tür nehmen, könnten wir weiterfahren."

 

Wenigstens hat er Humor


Mit mittlerweile 15 Minuten Verspätung setzen wir uns endlich wieder in Bewegung.

Von meinem Anschluss in Flensburg verabschiede ich mich gedanklich schon mal.



Aufgrund eines Zugausfalls ist die Regionalbahn völlig ausgelastet. Nach 1 1/2 h steigt zum Glück ein Großteil in Schleswig aus, sodass man die letzten 30 Minuten wenigstens wieder atmen kann. 


Kurz vor Flensburg dann die erlösende Durchsage, der Anschluss nach Dänemark wird erreicht. Ein hörbares Aufatmen geht durch das gesamte Abteil. Auch ich bin spürbar erleichtert. Bis Aalborg schaffe ich es nun auf jeden Fall. Alles was danach kommt, sollte keine große Hürde mehr werden, auch mit einer etwaigen  Verspätung nicht. 


Im Zug treffe ich auf zwei Mädels, die ebenfalls in meine Richtung fahren. Und so erfahre ich auch, dass die Bahn nicht direkt ab Aalborg weiter fährt, sondern etwas außerhalb von Lindholm. Es würde aber wohl ein Bus fahren. Schnell sind wir uns einig, dass wir auf den Bus verzichten und die Strecke mit dem Rad fahren zumal wir uns nicht sicher sind, ob überhaupt Fahrräder transportiert werden. 


In der Bahn erlebt man dann auch leider wieder alles. Neben mir die Kategorie divers, hinter mir pokerende Jugendliche, schräg gegenüber ein streitendes Ehepaar.... Am längsten aber  beschäftigt mich die Frage, warum  man sich um alles in der Welt  eine Fernbedienung neben einer Apfelsine auf den Oberarm tätowieren lässt??!


Nach 1 Stunde hole ich die Daunenjacke aus der Tasche. Klimatisierte Waggons sind ja keine schlechte Sache.. Aber nur dann, wenn man mit der Temperatureinstellung umgehen kann.  Vielleicht gewöhnen sie die Touris damit aber auch nur an die skandinavischen Temperaturen. 


Mit gerade mal 20 Minuten Verspätung erreiche ich um 16:20 Hjoerring. 

Bei einer 12 stündigen Zufahrt, an einem Freitag, in den Ferien und 5x umsteigen, sollte man der Bahn dafür fast einen Orden verleihen.

Dass hier gerade wieder das böse R-Wort vom Himmel kommt, könnte man dabei glatt vergessen. 


Heute Nacht darf ich bei Maiken übernachten. Gerade mal 1,5 Kilometer vom Bahnhof entfernt bekomme ich mein eigenes Zimmer. Da sie nicht Zuhause ist, hat sie mir einfach die Tür offen gelassen. Hier zeigt sich mal wieder das bedingungslose Vertrauen der Skandinavier. 



Nach meiner kurzen Nacht, mache ich mir nur noch etwas zum Essen, gehe ein wenig spazieren und verschwinde anschließend recht früh ins Bett, in der Hoffnung, ein wenig Schlaf nachholen zu können.



Tag 3: Hjoerring - Langnes 38,10 km

Gesamt: 38,10


Ich schlafe zwar relativ früh ein, wache aber ständig auf. Kurz nach Mitternacht dann mit Halsschmerzen. 

Viel Schlaf bekomme ich also auch diese Nacht wieder nicht. 


Da ich nun schon deutlich weiter im Norden bin, wird es zum Glück früh hell. 4:30 Uhr gebe ich auf, ziehe die Schuhe an und laufe mit der aufgehenden Sonne eine Runde um Hjoerring.




Zurück auf dem Zimmer packe ich in aller Ruhe zusammen, der Supermarkt öffnet erst 7 Uhr und bis zur Fähre hab ich eh genügend Puffer.


Trotz Sonnenschein ziehe ich die winddichte Jacke an. Schon beim Laufen war der Wind recht heftig.


20 Minuten muss ich vorm Supermarkt noch überbrücken. Mit mir geschätzt 20 ältere Kinder vom nahegelegenen Campingplatz. Schenkt man der Aufschrift ihrer Jacken glauben,  handelt es sich wohl um eine norwegische Sportmannschaft aus Stavanger. 

Bisher dachte ich, die skandinavischen Kinder können sich besser benehmen, als Kinder im eigenen Land... Fehlanzeige. 

Der Supermarkt ist zum Glück schnell erledigt, also nix wie weg.

Für 18 km hab ich 4 Stunden Zeit... Das sollte machbar sein.


In Bjergby taucht diesmal ungewöhnlich früh eine schöne Sitzgelegenheit in der Sonne auf. 

Wie viel besser das Frühstück doch schmeckt, wenn man nicht bei Regen in einer Bushaltestelle sitzt. 



Kurz vor Hirtshals begegne ich dem ersten Bikepacker.. in T-Shirt und kurzer Hose..

Zum Glück sieht niemand, dass ich unter der Regen- noch die Daunenjacke hab.


Meine Hoffnung, dass die Halsschmerzen heute Nacht nur Einbildung waren, schwindet. Jetzt heißts hoffen, dass es nicht schlimmer wird. 


In Hirtshals angekommen erwartet mich ein kleiner,  überschaubarer Hafenort, der offensichtlich von der Fischerei lebt. Dennoch, mit Sonne macht er einen angenehmen Eindruck. 




Die restlichen 1,5 Stunden überbrücke ich auf einer sonnigen Bank im Hafen, im Hintergrund rauschen die Wellen... Eine Wohltat für die Seele und die Kopfschmerzen.



Der Ablauf für Fahrräder ist in jedem Hafen anders und immer wieder aufs Neue ein Abenteuer. 


Der Check - In erfolgt noch relativ problemlos im Terminal-Gebäude. 2 Minuten, dann ist man mit einer Wegbeschreibung auf Papier wieder  vor der Tür. 

Der erste Blick wirft schon Fragen auf. 

Man erkennt weder, wo man sich gerade befindet, noch wo das Ziel ist. 

Die einzigen Menschen, die ich fragen könnte, sind schon einen Schritt weiter und befinden sich bereits hinter dem Zaun. Die Challenge muss ich dann wohl allein meistern.


Nach einer ersten Orientierung folge ich erstmal dem Color-Line Schild, als ich  doch noch einen gelangweilten Hafenmitarbeiter entdecke. 

Sein Stirn runzeln, nachdem ich ihm die Wegbeschreibung gezeigt hab, lässt mich ein klein wenig weniger an meinen Fähigkeiten zweifeln. Er versucht es dennoch. 

" Du folgst der Straße, dann einmal links, aber nicht die Erste, sondern die Zweite, dann machst du einen U-Turn, nochmal rechts, dann stehst du vorm Check - In."


😳

Ah ja..  


Ich versuche mir meine Verwirrung nicht anmerken zu lassen, bedanke mich, lächle und fahre weiter, in der Hoffnung, dass es einfach nur komplizierter klingt als es ist.


Kurz darauf erreiche ich die Stelle "einmal links".. 

Und ein Verbot für Fahrradfahrer..


Ein schneller Blick auf die Uhr... Noch 2h.. 

Und so drehe ich wieder um. Ich versuche die Parallelstraße an deren Ende ich zu meinem Glück einen Radfahrer entdecke. Und tatsächlich scheint das der richtige Weg zu sein, denn schon nach wenigen hundert Metern stehe ich am Ende der Schlange. 


Warum einfach, wenn's auch kompliziert geht. 2-3 Richtungsschilder für Fahrradfahrer und das Thema wäre erledigt...


Durch die Kontrolle bin ich schnell durch, Reihe 37 ist meine. 


Neben mir ein Radfahrer, lediglich einen Rucksack hat er dabei... 

Nach Bikepacker sieht das nicht aus.

Kurze Zeit später kommen wir ins Gespräch. Er will wissen, wo ich herkomme und was ich vor hab. Meine Englischkompetenzen reichen anscheinend aus, am Ende weiß er zumindest grob Bescheid.

 Auf meine Frage, was er vor hat, antwortet er nur mit " Ich war mit meinem Sohn beim Danacup in Hjoerring. Meine Frau steht ein paar Reihen weiter mit dem Auto, ich benutze das Rad um Geld zu sparen...".


Im ersten Moment denke ich mir, guter Plan. 

Je länger ich jedoch darüber nachdenke, desto mehr frage ich mich, auf welcher Rechengrundlage sein Vorhaben basiert. Soweit ich weiß, bezahlt man das Auto plus die sich darin befindenden Personen. Als Radfahrer, zahle man eine Person und das Rad.. Wo bitte spart man Geld, wenn man seinen Mann aus dem Auto wirft und mit dem Rad auf die Fähre schickt?




Nach knapp über 3h erreiche ich bei strahlendem Sonnenschein Kristiansand. Gefühlt sind hier 10 Grad mehr als in Dänemark. Ich ziehe dann mal zwei Schichten aus.


16 km sind es nun noch bis zu Louisa. Ich schreibe ihr kurz, dass ich in einer Stunde da bin, dass sollte mit Supermarktstopp entspannt zu schaffen sein. Wahrscheinlich komme ich sogar paar Minuten früher.

Wie unrealistisch meine Zeiteinschätzung ist, ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Supermarkt ausgenommen.




Es dauert nicht lang, nach ein paar knackigen. Anstiegen bin ich aus der Stadt. Ich rufe mir das Höhenprofil von Komoot in Erinnerung... So bergig sah das gar nicht aus. Es kann also nicht mehr viel   kommen.


Spätestens nach 5 weiteren Rampen weiß ich es besser. 

Das Ändern meiner Route vor 2 Wochen war damit wohl die absolut richtige Entscheidung. Die Etappenlängen muss ich die nächsten Tage allerdings noch nach unten korrigieren.



Die nächsten 10 Kilometer fahre ich auf der Küstenstraße. Landschaftlich ein absoluter Traum. Hinter jeder Kurve bietet sich ein neuer atemberaubender Ausblick auf die Schären und das Meer. Und spätestens, als mich ein norwegischer Jogger anspricht und fragt, ob er ein Foto von mir machen soll, weiß ich, die Urlaubswahl war die Richtige.  


Bei 20 Grad laufen die Norweger nämlich oberkörperfrei 😉



Überall auf den Felsen sieht man Einheimische, die sich auf den Felsen sonnen oder in den Buchten baden. 


This is the norway summer ❤️ 

Und ich mitten drin.


Pünktlich 17 Uhr klopfe ich bei Louisa an die Tür. Super herzlich werde ich empfangen. 

Da ich die Sonne noch nutzen möchte, packe ich nur das Nötigste aus und mache mich wieder auf den Weg.



Nicht weit vom Haus erstreckt sich ein wunderschöner See, dessen Südseite direkt ans Meer grenzt. Überall hat man Zugang zum Wasser.. Außer ein paar Joggern begegnet man niemandem. 

Ein Traum. 



Am Abend erzählt mir Louisa ihre Geschichte. Aufgewachsen ist sie in Hannover, lebt jetzt aber mit ihrem Mann in den Niederlanden. Seit Mai sind die beiden nun in Norwegen und wollen das Leben hier für 5 Monate ausprobieren um dann zu entscheiden, ob sie Holland den Rücken kehren oder nicht. Sie selbst arbeitet als Yoga- Lehrerin, ihr Mann ist Zahnarzt, hat aber bisher keinen Job gefunden. Und überhaupt scheint es in Norwegen nicht so leicht zu sein, Anschluss zu finden. 

Umso mehr freut sie sich, dass ich heute bei ihr übernachte. 


Nach wundervollen Gesprächen verabschieden wir uns ins Bett.. Mit im Gepäck eine Einladung nach Groningen 🙂


Tag 4: Langnes - Grimstad


90,7 km

Gesamt: 128,78 km


Trotz der Halsschmerzen schlafe ich einigermaßen gut.. oder vielleicht gerade deshalb. 


90 Kilometer hab ich mir für heute vorgenommen. Zuvor die obligatorische Laufrunde.. 


Für das frühe Aufstehen werde ich dann einmal mehr mit einem traumhaften Sonnenaufgang belohnt. 



Die vielen menschenleeren Badestellen sind jedoch weniger einladend, zu kühl ist die Luft noch. 


Da ich bei Warmshowers -Unterkünften nie viel auspacken muss, sind die Sachen anschließend schnell gepackt und ich sitze schon vor halb 7 auf dem Rad. 


Zuerst geht es zurück bis Kristiansand, jedoch eine andere Route als gestern. Schon auf die ersten 20 Kilometer merke ich, wie nervig und anstrengend der Wind heute ist. Er kommt zwar aus Nordwesten und sollte demnach eigentlich ein wenig unterstützen, da mich meine Strecke allerdings bis Birkeland erst mal gen Norden führt, hab ich ihn anfangs von vorn. 


Kristiansand  möchte ich gern noch hinter mir lassen, dann hoffe ich auf eine schöne Frühstücksmöglichkeit. 

Und da wären wir auch schon wieder beim altbekannten Problem.


Es kommt wieder mal ....... 


NICHTS.


Während gestern Nachmittag ein Rastplatz schöner als der Andere war, taucht heute noch nicht mal ein hässlicher auf. 


Nach fast 35 Kilometer gibt's zumindest mal eine Sitzgruppe vor einem Supermarkt. 


Was soll's... Ich hab Hunger. 

Immerhin gibt's WLAN.

Und es scheint die Sonne. 


Bis Birkeland geht's anschließend immer parallel zum Topdalselva.. ein recht breiter Fluss. 




Voran komme ich leider nach wie vor nur mühsam. Es geht entweder rauf oder runter. Flach gibt's hier nicht. Nie lang, aber steil. 

Das ging in Schweden letztes Jahr schon leichter.





In Birkeland dann endlich vorerst der letzte längere Anstieg und ein Richtungswechsel. Dadurch sollte ich den Wind nun endlich von hinten haben. 


Beim monotonen bergaufstrampeln schweifen meine Gedanken zu meiner heutigen Unterkunft, Marion in Grimstad. 


Trotz positiver Bewertungen, weiß man nie, was einen erwartet, wie ich letztes Jahr einige Male erfahren musste. Und dann ertappe ich mich dabei, wie ich mir einen Worstcase -Plan überlege. 

Das Wetter ist schön, ich könnte mich also ohne Probleme auf einen sonnigen Campingplatz verabschieden .. 


Ehe ich mich versehe, bin ich in Lillesand. 

Die 15 Kilometer seit Birkeland gingen fast von allein. 

Leicht bergab, Wind von hinten..

Man könnte sich fast dran gewöhnen.


Mit Lillesand erriche ich ein wunderschönes, kleines verträumtes Fischerdorf an der Küste. 


Ich nutze eine kleine Pause und schreibe Marion, wann ich ungefähr ankommen werde. Eine Antwort kommt schnell, es wäre kein Problem, sie ist Zuhause. 


Immer wieder vergesse ich, dass heute Sonntag ist..Aber spätestens, wenn man vor verschlossenen Supermärkten steht, weiß man es eh.


Die restlichen Kilometer bis Grimstad führen mich erneut immer am Wasser entlang. 



Trotz Sommerferien und Urlaubszeit , überholen mich recht wenige Autos. Und wenn, dann mit ausreichend Abstand und langsam. 

Davon kann man in Deutschland nur träumen.


Nur wenige Kilometer vor Grimstad biegt meine Route anschließend auf einen geschotterten Weg ab. Der offizielle Radweg ist es jedoch nicht. 

Hab ich da beim Planen irgendwas übersehen? 


Riskieren oder lieber auf der Straße bleiben? 

Solche Experimente können sich als wahrer Glücksgriff erweisen oder aber total in die Hose gehen.. 

Meistens letzteres. 


Ich probier's trotzdem.


Nachdem ich gleich zu Beginn wieder mitten durch ein Grundstück fahre, werde ich auf den nächsten Metern tatsächlich belohnt. 

Keine Menschenseele , nur ein paar Kühe, die sich nicht stören lassen.



Je näher ich Grimstad komme, desto mehr Menschen begegnet man.

Unter ihnen auch wieder einer dieser sportlichen Norweger, so wie ich sie mir wünsche.



Der Weg zu Marion führt mich durchs Zentrum. Ähnlich wie Lillesand ist Grimstad ein tolles Städtchen am Meer.. 

Zwar ein wenig mehr Touristen, aber die kann man gut ausblenden. 

Dennoch will ich erstmal meine Sachen abstellen um danach  den Nachmittag in der Sonne und am Wasser zu verbringen.



Die Straße zu meinem heutigen Ziel ist erneut wunderschön. Links und rechts hell gestrichene Holzhäuser, vor deren Fassaden bunte Blumen ranken.. 

Nach einer zwilichten Gegend sieht das schon mal nicht aus.


Hausnummer 2 ist dann auch schnell gefunden.

Im ersten Moment glaube ich an ein Versehen.

Ein kleines Einfamilienhaus auf einem Hügel mit einem atemberaubenden Blick über das Fjord. 



Vorsichtshalber vergleiche ich die Adresse nochmal.


Hausnummer 2. Schwarz auf weiß.


Aber ich  freue mich erstmal nicht zu früh.. 

Ich weiß, wie das ist, mit Schein und Sein.. 


Vorsichtig drücke ich die Klingel..


Warte.. 


Warum halte ich jetzt eigentlich die Luft an?


Und dann geht die Tür auf.. 

Mit einem freudigen Lächeln begrüßt mich Marion und bittet mich sofort herein.

Was ich dort sehe, übertrifft alles, was ich bisher erlebt hab.


Wer hier wohnen darf, braucht im Leben keinen Urlaub mehr..


Die Einrichtung geschmackvoll durch und durch. Eine riesige Fensterfront mit Blick auf das Wasser und die Felsen. Alles wirkt  sauber, hell und überaus freundlich. 


Um meiner Sprachlosigkeit eine Ende zu setzen, zeigt sie mir mein Zimmer. Marion ist über 70 und lebt mit ihrer 19 jährigen Enkelin in diesem tollen Haus.


Hm..

Versteh ich. 

Da würde ich wohl auch bei Oma wohnen.


Und dann stehe ich in dem Zimmer, in dem ich heute übernachten darf.

Mir fehlen erneut die Worte, und das kommt selten vor.

Muss ich hier morgen wirklich wieder weg?





In welchem Traum bin ich hier eigentlich gelandet... 


Für so eine Unterkunft könnte sie locker 100€ pro Nacht verlangen. 

Macht sie aber nicht, stattdessen freut sie sich über all die verschiedenen Menschen und ihre Geschichten, denen sie dadurch begegnet.


Die restlichen Nachmittag nutze ich um mich ein wenig umzusehen.

In der Stadt gibt's dann sogar Live-Musik. Mit einer unglaublichen Stimme und tollen Liedern ziehen mich die beiden Sänger in ihren Bann. 


Leider ist nach einer Stunde Schluss.


Da das Thermometer mittlerweile 25 Grad anzeigt, versuche ich mein Glück und mache mich auf die Suche nach einer Badestelle.

Möglichkeiten gibt's genug, wenn man allerdings lediglich ein Handtuch im Rucksack hat, ist die Auswahl dann doch wieder begrenzt. 🙈





Zurück bei Marion genießen wir das schöne Wetter noch ein wenig auf der Terrasse. 

Stolz erzählt sie mir von all den Reisen, die sie schon unternommen hat. 

Von Südamerika bis Australien ist alles dabei. 

Die Übernachtungen immer bei Warmshowers oder Couchsurfing - Leuten. 


Für die letzten Sonnenstrahlen nutze ich die wunderschön Terrasse in meinem Zimmer.

Der einmalige Ausblick auf das Wasser, die vorbei fahrenden Boote und die gegenüberliegenden bunten Häuser sauge ich bis ins kleinste Detail auf...


Was für ein toller Abschluss eines schönes Tages..



Tag 5: Grimstad - Risøya (Insel)

83,18 km

211,96 km Gesamt 


Die Nacht ist gut.. sehr gut sogar. Ob's am Ausblick liegt?


Während alle noch schlafen, schleiche ich mich aus  dem Haus. Die Luft auch heute wieder total angenehm. 

Der Sonnenaufgang jeden Tag aufs Neue beeindruckend.




Da ich für heute Nacht niemand bei Warmshowers gefunden bzw eine Absage in Risør bekommen hab, ist ein Campingplatz meine Anlaufstelle. Die Bewertungen bei allen nicht sonderlich gut, aber  besonders viel gebe ich darauf meist eh nicht, so hat doch jeder andere Ansprüche.


Gefühlt geht das Radeln heute deutlich leichter als gestern. Ich fühle mich aber auch viel besser. Die Erkältung klingt ab und auch die gute Nacht wird ihren Teil beitragen.


Bereits nach wenigen Kilometern eine wunderschöne Bank zum Frühstücken. Leider kein Supermarkt in der Nähe. 

Nichts Neues.


Ehe ich mich versehe, bin ich Arendal, eine etwas größere Stadt. 

 Am Hafen eine Bank in der Sonne... 

Passt.


Während ich frühstücke, frage ich Oscar von Warmshowers, ob es in der Nähe von Risør ein Shelter gibt. 

Prompt kommen einige Tipps. Darunter der Hinweis, dass es auf der Insel Risyør ein Shelter gibt.

Die letzte Fähre fährt 16:15... Für den nächsten Tag muss man Bescheid geben, wann man zurück möchte. 


Ha ha.

Vergiss es ...


Damit wandert das Handy in die Tasche und ich breche auf. 




Schon nach wenigen Minuten kommt mir sein Vorschlag wieder in den Kopf. 


Soll ich nicht vielleicht doch?


Wild campen wollte ich tatsächlich schon lang mal... Leider bin ich Schisser und hab's immer wieder rausgeschoben.


Die folgenden Stunden schwanke ich immer wieder zwischen "Ja klar , mache ich" und "Niemals nie übernachte ich allein auf einer Insel".. 


Bis Tvedestrand muss ich mich entschieden haben, dort würde der Weg zum Campingplatz abzweigen.



Die ständigen Anstiege lenken ein wenig ab. Es geht ohne Wind heute zwar ein wenig leichter , Spaß macht trotzdem kein einziger. 


Schneller als gewollt erreiche ich Tvedestrand. 

Jetzt mach mal Nägel mit Köpfen..

Links nach Risør oder rechts zum Campingplatz?

Kopf oder Zahl? 

Friss oder stirb?


Okay.. ich sterb.

Und fahre links.


In Risør gibt's keinen Campingplatz, kein Air BNB, kein Wanderheim und auch sonst nichts, wo ich übernachten könnte, sollte ich doch kneifen.


Ich brauche einen Plan B. 

Fürs Gewissen..


Aber dann erinnere mich an meine Einstellung vom letzten Jahr : Irgendwie und irgendwas wird schon werden.



Noch zwei längere Anstiege, dann hab ich für heut das Schlimmste überstanden. 


In dem Moment kommt von hinten ein E-Bike Fahrer, überholt und sagt ganz lässig, du brauchst auch eins.


Das stimmt, wollen wir tauschen?


Hab ich das grad wirklich gesagt?

Was einem doch alles so raus rutscht.


Er verneint sowieso, fragt noch kurz, was mein heutiges Ziel ist und fährt dann mit seinem Turbo davon. 


Gegen Mittag erreiche ich Risør.

Der Hafen ist schnell gefunden, der Ableger für die Fähre jedoch nicht. 


Ich versuche es im Tourismusbüro. Hier hat man zum Glück Ahnung. Der junge Norweger zeigt auf eine Stelle gegenüber des Hafens. Ich nutze die Chance gleich und frage ob er weiß, wann morgen früh die erste Fähre zurück fährt.


Ja klar, 10:45, antwortet er. 


Volltreffer. Und wo ist jetzt mein Plan B?


Insgeheim macht sich ein wenig Erleichterung breit, so wurde mir doch die Entscheidung über mein Vorhaben gerade abgenommen.


Ich befrage Google und suche nach einer Alternative. Aber auch jetzt gibt's keine. Mir bleibt heute definitiv nur Wildcampen oder 200€ Hotel. 


Ich erinnere mich an Oscars Nachricht.. Man soll Bescheid geben , wann man am nächsten Morgen zurück fahren möchte.

Das klingt ja nach Verhandlungsspielraum.


Ich beschließe also, erstmal am Fähranleger nachzufragen. 


An der Anschlagtafel nur eine Nummer. 

Aus welchen Gründen auch immer, es klingelt zweimal, aber dann bricht die Verbindung ab. Egal welche Nummer ich wähle. 


Wenn man das Handy schon mal braucht... 


Kurz darauf bekomme ich eine SMS... Du hast angerufen, wie kann ich dir helfen? 


Ich schildere kurz meine Lage und was ich vor hab. Nebenbei frage ich, ob er aus Deutschland kommt. 

Und tatsächlich.. Der Fährmann ist Deutscher. 

Er will noch wissen, wann und von wo genau ich die Fähre brauche.. 


Ich erkläre es ihm, warte, rechne aber mit einem " Tut mir leid, geht nicht".

Ich sehe wie er tippt.. Von seiner Antwort ist meine heutige Nacht abhängig.


Und dann sagt er zu..


So ein Mist... Das geht tatsächlich.


Schnell frage ich noch, ob er mich auch mitten in der  Nacht abholt, falls mich die Angst übermannt..

Auch das macht er 🙈


Tja.. Und dann hab ich gerade wirklich mein eigenes Boot gebucht, das mich morgen früh von einer einsamen Insel abholt. 


Krass!

     

      


Pünktlich Viertel 4 stehe ich auf dem Schiff. Jetzt gibt's kein zurück mehr. 


Vor was hab ich eigentlich so Angst? Es gibt nur zwei Möglichkeiten, wie die Nacht verläuft.


Variante 1: Ich kann nicht schlafen und warte darauf, dass mich ein Bär frisst.


Variante 2: Er tut es wirklich 




Den schönsten Ausblick auf die Schären hat man einfach immer wieder vom Wasser. Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. 


Und es wäre eben einfach nicht meine Reise, wenn nicht irgendwas dummes passiert.

Nein, mein Fahrrad, MIT Taschen, hab ich dabei.

Allerdings sollte man bei einer Fährfahrt auch ans Aussteigen denken. 🤦🏼‍♀️ 


Und so wird aus einer 10 minütigen Fahrt eine 45 minütige Rundfahrt. 


So what.



Beim zweiten Versuch klappt's besser.


Der Bootsanleger direkt an einer Badestelle, davor eine große Wiese mit Toilette. Falls das Shelter belegt ist, wäre das eine Alternative. 


Ich schau mich kurz um.. ein paar Badegäste sind noch da und dann entdecke ich es auch schon.

In traumhafter Lage auf einem Felsen.. nicht älter als 2 Jahre. 


Aktuelle Stimmung: Das hat sich ja mal gelohnt.



Der Aufstieg ist ein wenig beschwerlich, so muss man doch arg aufpassen, dass man nicht mitsamt Rad und Gepäck abrutscht. 

Ich nehme das Nötigste daher lieber erstmal ab und hole den Rest beim zweiten Aufstieg.


Das ist es also, mein Lager für heute Nacht... 

Endlich kommt auch mal mein Kocher zum Einsatz. 


Was ich bisher allerdings ein wenig verdrängt hab.. Mir blüht heute Abend noch ein Bad im Meer.. Challenge Nummer 2 für heute. 



Am Abend sind die restlichen Badegäste verschwunden.. 

Ich würde gern aufatmen, funktioniert aber nicht so recht. Ab jetzt bin ich wirklich allein. 


Also dann Zeit für die Challenge. 

Das, was dieses Jahr im April in einem Oberpfälzer Weiher problemlos ging, sollte dann hier auch kein Problem sein.

Also Augen zu, Luft anhalten und durch  ... 


BOAH 🙀 🥶


Soll ich schätzen? 

8 Grad.. gefühlt. 


Eine ausgiebige Schwimmrunde wird es nicht, aber der Körper war immerhin 2 Sekunden nass. 


Muss reichen. 



So.. 


Und das war er nun... Mein Tag 3 in Norwegen. 


Ausklingen wird er an so einem tollen Ort..

Das Gesicht in der Sonne, die Augen auf dem Meer, die Ohren beim Rauschen der Wellen.


Und meine Gedanken bei all den Menschen die fehlen... Einer ganz besonders...




Tag 6: Risøya - Eidanger 


84,25 km

296,21 km Gesamt



Das wohl wichtigste zuerst.. mein Abend und meine Nacht:




Nachdem ich zwei Elche verjagt und einen Fuchs zurück in den Wald geschickt hab, konnte ich ein paar Minuten schlafen.


Nein, Spaß.


Der Vorteil an Norwegen.. es ist abends bis nach 23 Uhr hell, so hat man gute Chancen einzuschlafen, bevor es dunkel ist , was mir tatsächlich auch gelungen ist. 


Der Nachteil an dieser Gegend: 

Jeder hat ein Boot, dass er mit Vorliebe bis spät in die Nacht über's Wasser jagt. 


Und so reiẞen mich laute Motorgeräusche bis Mitternacht immer wieder aus dem Schlaf. Erst dann kehrt Ruhe ein. 

Ich schlafe zum Glück wieder ein und werde nur gegen halb 3 noch einmal wach. 

Jetzt wären Ohropax gut, denn leider höre ich jedes noch so kleine Geräusch. Dennoch fallen mir nach einigen Minuten nochmal die Augen zu. Erst als es langsam hell wird, wache ich auf.. Also ungefähr halb 5. 


Versöhnt werde ich mit einer gigantischen Sonnenaufgangsstimmung. 

Dafür hat sich jede Minute in Beunruhigung gelohnt.




Am Abend bekam ich noch 3x Besuch von Booten, die jeweils ihren Hausmüll in den öffentlichen Containern entsorgt haben. Da mir nicht ganz wohl dabei war, dass ich Zeuge dieser Aktionen wurde, verschwand ich etwas sichtgeschützt in mein Shelter.


Also alles in allem war meine erste Nacht allein in der Wildnis weitaus weniger schlimm als befürchtet 😉 

Geschlafen hab ich dennoch schon oft besser.




Da ich noch 2 Stunden Zeit hab, bis mich mein Privatkapitän abholt, versuche ich ein paar Laufkilometer zu drehen. 

Der Versuch scheitert jedoch. 

300 m in die eine, 300 m in die andere Richtung... Mehr geht nicht.

Nach 3,5 Kilometern gebe ich auf. 


Pünktlich 7 Uhr legt Alfred am Steg an, verlädt mein Gepäck und mein Rad und weist mir seinen Beifahrersitz zu. Auf der kurzen Überfahrt erfahre ich, dass er aus Osnabrück stammt, vor 20 Jahren mit Kind und Kegel nach Norwegen ausgewandert ist und seit 3 Jahren mit seinem Boot auf Abruf Gäste von A nach B bringt. 

Beim Anblick des Preises wird auch mir klar, dass das ein lukratives Geschäft ist. 

Für das Geld hätte ich auch eine halbe Nacht im Hotel schlafen können.

Im weiteren Gespräch bestätigt auch er mir wieder,  wie schwierig es ist , als Zugezogener richtige Freunde oder auch nur Bekannte zu finden. 

Ein wenig fühle ich mit. 




Nach 10 Minuten ist der Privatausflug vorbei und ich hab nun ungefähr 70 Minuten Zeit, die Fähre von Stabbestad nach Kragerø zu erwischen. Laut Internet fährt sie nur alle 3 Stunden, schaffe ich es nicht, muss ich außen herum oder warten.

Beides kein Spaß.


Da sich die Berge auf diesem Stück gut fahren lassen, bin ich 45 Minuten vor Abfahrt am Hafen. Ein Blick auf den Fahrplan zeigt dann wieder, dass man auf Google-Recherchen einfach mal pfeifen kann. Die Fähre legt jede Stunde ab.. die Nächste in 5 Minuten. 

Unbewusste Punktladung.


In Kragerø erstmal Frühstückspause, nach einigen Minuten sogar mit Sonne. So oft wie in diesen 5 Tagen hab ich sie in den ganzen 4,5 Wochen im letzten Jahr nicht gesehen.




Mein Ziel für heute ist ein Campingplatz kurz vor Langesund. Da es vorher keinen Supermarkt gibt, beschließe ich die 5 Kilometer bis zur nächsten Einkaufsmöglichkeit weiter zu fahren und erst dann zurück zum Einchecken.


Die Strecke auch heute wieder unglaublich schön, wenn auch wieder nur hoch oder runter.

Immer wieder fantastische Blicke aufs Wasser, Felsen, idyllische kleine Ortschaften und Häuser. 



Zwischen Kragerø und Valle überholt mich irgendwann ein Arbeiter der Straßenmeisterei. Ein bis zwei Kilometer weiter sammelt er Müll am Straßenrand,  sodass ich wieder an ihm vorbei ziehe. Dieses Spiel setzt sich noch unzählige Male fort. 

Er bekommt von mir mittlerweile jdesmal ein freundliches Klingeln, er schaltet für mich im Gegenzug seine Warnleuchten auf dem Dach ein.


Es gibt schon immer wieder tolle Menschen hier 🤗


Auch in Valle hole ich ihn wieder ein. Diesmal spricht er mich an und fragt mich aus.

 Sichtlich begeistert spricht er mir seine vollste Bewunderung aus. Er selbst hat nur einen Camper mit dem er seine Urlaube verbringt.. Das wiederum beneide ich. 

Ursprünglich stammt er aus den Bergen im Inland, daher kann er meine gedämpfte Freude über die viele Hügel verstehen. 

Nach einem super sympathischen und angenehmen Gespräch verabschieden wir uns für kurze Zeit, denn unsere Wege werden sich heute sicher noch öfters kreuzen. 


4 Kilometer vor dem Campingplatz zweigt der Küstenradweg das erste Mal auf einen geschotterten Weg ab. Tolle Abwechslung, denke ich mir noch.

 

Leider entpuppt sich die Abwechslung schon nach kurzer Zeit als Falle. 

Anscheinend hatten die Planer dieses Radweges an der Stelle einfach mal keine Lust mehr. Erst ein Warnschild, dann eine Rampe mit 15-20% Steigung.

Da komme ich selbst schiebend an meine Grenzen. 


Nach 500 m hab ich das Schlimmste überstanden. Jetzt geht es nur noch wellig weiter.

Kurz darauf kommen mir zwei Männer entgegen, ebenfalls mit Gepäck. 

In dem Moment wird mir erstmal bewusst, ich hatte ja noch richtig Glück. Bergab würde ich dort WEDER fahren NOCH schieben.. 

Gedanklich wünsche ich ihnen viel Glück.


Dann dämmert es erneut... Ob sie mir dasselbe wünschen? Was auf der einen Seite hoch, muss auf der anderen auch wieder runter gehen..


Ein kurzer Blick aufs Höhenprofil... Okay.. ganz so schlimm sieht's nicht aus.. Hoffentlich behalte ich Recht.


Es dauert nicht lang, dann geht's tatsächlich schon wieder bergab... Jedoch nicht mal annähernd so steil wie am anderen Ende..

Gott sei Dank. 



An der nächsten Kreuzung geht's rechts um Campingplatz, links zum Supermarkt... 

Bald geschafft für heute. 


Nach wenigen hundert Metern erneut ein Berg.. So hab ich mir das eigentlich nicht vorgestellt.

Da nicht mehr viel kommen kann, nehme ich ihn in Angriff..


Und dann ist es tatsächlich einer dieser beschissen Berge, die kein Ende nehmen...

Schlussendlich ist das mit der längste Anstieg der ganzen Strecke. Und das soll ich nachher wieder zurück und morgen früh nochmal hoch?


Niemals!


Nach dem Supermarkt fahre ich definitiv nicht auf den hinter mir liegenden Campingplatz sondern einfach weiter .. 



Aus 68 km und knapp 900 Höhenmeter werden am Ende..?

We will see.


Der Küstenweg führt mich nun durch Brevik in Richtung Porsgrunn..

Ist das hässlich hier. 


Und auch die Berge machen immer weniger Spaß, auch wenn ich mich tatsächlich ein wenig dran gewöhnt hab. Solang sie nicht zu steil sind, kommt man gut hoch. Ich muss mich nur von meinem bisher gewohnten Fahrverhalten verabschieden. Während in Schweden letztes Jahr fast alles flach war und man locker aber kontinuierlich treten musste, ist es hier ein ständiger Wechsel zwischen Erholung bei der Abfahrt und anstrengender Belastung am Berg. 

Mein Faulheit beim Schalten konnte, oder eher musste?, ich zum Glück schnell ablegen. 





In Eidanger biege ich schließlich auf den zweiten Campingplatz ab.  

Der erste Eindruck ist gut, auch der Preis von 25€ für Norwegen absolut in Ordnung. 

Der Platz für mein Zelt ist zwischen zwei Hütten, nicht optimal, für eine Nacht aber völlig okay.


Das  Zelt steht schnell, noch schneller bin ich geduscht und dann mache ich mich mit meinem Topf auch schon auf die Suche nach der Küche..


Vergeblich. 


Ich frage einen Campinggast.. Mehr Infos als ein Schulterzucken bekomme ich nicht.

Nächster Versuch beim Platzwart...


Eine Küche haben wir nicht, dafür etwas zum Abspülen und ein Restaurant. 

Für warmes Wasser am Spülbecken muss man sogar zahlen..  

Da wundert es mich dann doch ein wenig, dass die Duschen nicht extra kosten.


Tja.. vielleicht bin ich von Schweden einfach zu sehr verwöhnt, so war eine gut ausgestattete Küche auf jedem Campingplatz Standard .

Da auch ein Aufenthaltsraum fehlt, hab ich keine Möglichkeit zum Laden der Elektrogeräte.


Kurzerhand frage ich die Nachbarn mit ihrem Wohnwagen, ob ich zumindest meine Powerbank 1-2 Stunden bei ihnen laden darf.

Ohne zu überlegen überlässt er mir seine Steckdose. 


Und das ist es, was ich am Camping so liebe.. 

Die gegenseitige bedingungslose Hilfsbereitschaft.


Am Abend plane ich meine Tour für morgen und gehe noch ein wenig spazieren. 

Das schöne Wetter muss ich nutzen... 

Man weiß ja nie...



In Gedanken bin ich nochmal bei meinem gestrigen Abend in Lille Denmark..

Auch wenn ich anfangs ein ungutes Gefühl und große Zweifel hatte, ob ich diese Nacht schaffe, war es ein Abend, den ich wohl für immer in Erinnerung behalten werde...

Der beeindruckende Sonnenuntergang, der Mond, der sich im Wasser spiegelt, eine Nacht ohne Zelt in der freien Natur... 

Weit und breit kein Mensch... 

Am Morgen nur das Geräusch des Meeres und ein grandioser Sonnenaufgang...


Und wieder einmal lerne ich: 


Weniger zweifeln, mehr machen..



Tag 7: Eidanger - Sandefjord 


82,24 km

Gesamt 378,44 km


Auch am Abend überzeugt der Campingplatz nicht. Mehrmals wünsche ich mich zurück auf die kleine Insel.

 Die angrenzende Straße ist lauter als gedacht, aber immerhin in den frühen Morgenstunden ist kurzzeitig ein wenig Ruhe. Trotz der Widrigkeiten kann ich einigermaßen schlafen. Erst die aufziehende Kälte am Morgen reißt mich aus dem Schlaf. Ein kurzer Blick auf die Temperatur... 13 Grad.. 

Hm.. viel mehr hatte ich im Shelter auch nicht und da war es mir im Schlafsack zeitenweise sogar zu warm.


Seltsam. 


Ich schnapp mir meine Laufsachen und mache mich auf den Weg in Richtung Sanitärgebäude, die sind wenigstens meistens warm. 


Vor dem Zelt weiß ich dann auch den Grund für die unangenehme Kälte.. alles ist nass. Das war auf meiner Insel nicht, daher fühlte es sich natürlich deutlich wärmer an.

Also heißt es nachher wieder ein nasses Zelt einpacken.. Wie ich das "liebe". 🙄


Meine Laufrunde fällt kurz aus. Egal in welche Richtung, man kann nur mit einigen Höhenmetern pendeln.

Gar nicht meins. 


Eine halbe Stunde reicht, dann bin ich zurück am Platz. Die Routine beim Zelt abbauen und verpacken sitzt noch vom letzten Jahr, so geht alles recht schnell. 

Kurz vor 7 bin ich startklar.


Fast.


Die Lenkerrolle sitzt natürlich nicht mehr ordentlich, nachdem ich sie gestern abmachen musste. Also alles wieder richten, ein wenig nach links, rechts, drücken.. 


Zweiter Versuch.


Naja.. muss gehen.


Auch auf dem Rad ist es anfangs verdammt kalt.

Zu Beginn erwartet mich heute gleich vom Campingplatz weg ein langer Berg .. 

Meine Freude hält sich in Grenzen, wäre ich doch viel lieber ganz entspannt gestartet.


Oben angekommen bin ich nicht nur warm, sondern auch wach.

Ein kurzer Blick auf den Tacho..

Gerade mal 2 Kilometer aber schon fast 150 Höhenmeter. 

Test für heute bestanden.


Verwundert bin ich über die vielen Radfahrer, die mir um diese Uhrzeit schon entgegenkommen. Und überhaupt sieht man hier deutlich mehr sportlich aktive Menschen als in Schweden und Deutschland. 

Naja.. mir ist's recht.




Die ersten 20 Kilometer führen mich durch ein schattiges Tal, wodurch ich immer wieder friere. Erst kurz vor Helgeroa wird es wärmer. 


In Nevelunghavn finde ich eine wunderschön gelegene Bank. Irgendwann muss es ja mal klappen. 

Besser kann das Frühstück bei so einem Ausblick gar nicht schmecken. Und auch die Sonne wärmt. 




Danach ändert sich schlagartig das Landschaftsbild. Die felsigen Ufer und Buchten weichen sandigen Strandabschnitten und landwirtschaftlich genutzten Flächen. Und man mag es kaum glauben, man fährt auch hin und wieder mal für 2-3 Kilometer weder rauf noch runter. 

Bin ich noch in Norwegen?




Und hier merkt man, dass ich mich Oslo in großen Schritten nähere. Die Infrastruktur um einiges besser und auch die Ortschaften reihen sich in kürzeren Abständen aneinander.


Was mich jedoch nach wie vor wundert.. man sieht kaum deutsche Urlauber. Um mich herum und auf den Campingplätzen nur Norweger. 



Immer wieder komme ich heute durch wunderschöne kleine Ortschaften, die mich jedesmal zum Anhalten und Anschauen zwingen. 

Auch in Stavern verbringe ich ein wenig Zeit.


Mein heutiges Ziel, Sandefjord, überzeugt hingegen mal wieder überhaupt nicht. Wie schon in Schweden, sollte man die größeren Orte einfach meiden, noch dazu ist es eine Hafenstadt.

Das Zentrum streife ich nur flüchtig, das was ich gesehen hab, reicht.



Heute Nacht komme ich bei Ståle unter. Seine Mutter öffnet mir die Tür und zeigt mir gleich mein Zimmer.


Ich dachte ja immer, ich spreche schlecht Englisch, aber immerhin ist es nicht so schlecht, dass ich erkenne, wenn andere noch schlechter sprechen.


Kurz lege ich die Füße hoch und den Rest meines Körpers ins Bett. Nur ein paar Minuten ausruhen. 

Nicht lang und ich merke , wie mir die Augen zufallen.


Bei dem Wetter? 

Nein!


Die Ruhepausen kann ich mir auch bei Regen noch genehmigen. 


Und so schnappe ich meine Sachen und gehe vor die Tür. 

Stadt oder Natur? 


Natur.. 

Da kann man wenigstens nicht ausversehen was kaufen was in keine Tasche passt.


Mein Weg führt mich in Richtung Campingplatz. Mal sehen, was ich verpasse. 



Ach ja, übrigens : 


😋




Und auch heute hab ich wieder ein Handtuch im Rucksack. 

 Mittlerweile trage ich es schon zum vierten Mal spazieren. Ob es irgendwann mal zum Einsatz kommt? Ich warte ja immer noch auf eine traumhafte Bucht,  nur für mich allein.


Aus der richtigen Position fotografiert sieht man noch nicht mal, dass mein vermeintliches Handtuch nur der 20 x 20 cm große Microfaser Lappen ist. 

Aber der gute Wille zählt 😉

Am Campingplatz angekommen bedauere ich es fast ein wenig, nicht hier zu sein.

Eingebettet zwischen kleinen Ferienhäusern liegt er auf einer kleinen Landzunge mit einer tollen kleinen Badebucht. 


Die nächste halbe Stunde sitze ich auf einem sonnigen Felsen, beobachte die weniger kälteempfindlichen Badegäste und mache mir Gedanken, wie ich ab Oslo weiterfahre. 


Bei dem Gedanken, dass Meer erstmal hinter mir zu lassen, steigt ein wenig Wehmut auf. 

Ich komme aber nicht drum rum. 

Es bleibt nur die Möglichkeit, weiter in Richtung Norden nach  Lillehammer oder gen Osten durchs Landesinnere von Schweden in Richtung Gävle. 


So richtig wohl ist mir bei beiden nicht. 

Lillehammer bedeutet weiterhin viele Höhenmeter, Richtung Gävle muss ich viele hundert Kilometer durch dünn besiedelte Gebiete. 


Ich beschließe Matthew in Göteborg um Rat zu fragen. 

Eigentlich wollte er mich von Freitag bis Sonntag begleiten, doch die schlechten Zugverbindungen mit dem Fahrrad haben dieses Vorhaben leider zunichte gemacht. 

Das zeigt wieder einmal, wie aufgeschmissen man mit der Bahn in Skandinavien als Radreisender ist.

Die Entscheidung über die weitere Route schiebe ich erstmal von mir weg. In Oslo werde ich erst am Freitag sein, dann ist immer noch Zeit, sich den weiteren Weg zu überlegen.

 

Und während ich so zurück zur Unterkunft spaziere, ertappe ich mich immer wieder dabei, wie mein Gedanken zu einer weiteren Nacht in einem Shelter wandern.. 


Wird es eine Wiederholung geben?